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Atomkraft in Belgien
Es gibt zwei Atomkraftwerke in Belgien. Drei Hochrisikoreaktoren am Standort Doel und zwei Hochrisikoreaktoren am Standort Tihange. Alle Blöcke sind bereits über 30 Jahre alt und verzeichnen bereits einige Störfälle.
In Belgien werden fünf Druckwasserreaktoren an zwei Standorten betrieben, die alle zwischen 1974 und 1985 ans Netz gingen. Sie lieferten 2022 46,4 % der gesamten Stromproduktion des Landes.
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Atompolitische Debatte
1999 hat die Drei-Parteien-Koalition (Liberale, Sozialisten und Grüne) eine Laufzeitbegrenzung von 40 Jahren festgeschrieben und dem Neubau von Atomkraftwerken eine Absage erteilt. Dieser Plan eines langsamen Atomausstiegs für die Zeit zwischen 2015 und 2025 wurde allerdings nach den Wahlen 2003 mit Verweis auf vermeintliche energiewirtschaftliche Notwendigkeiten in Frage gestellt. Nach jahrelangen technischen Problemen der belgischen Reaktoren beschloss die Regierung, den Atomausstieg bis 2025 tatsächlich umzusetzen. Aufgrund des zu langsamen Ausbaus der Erneuerbaren Energien entschied die neue Regierung 2023 jedoch, die zwei „neuesten“ Reaktoren Tihange 3 und Doel 4 (Baujahr 1985) noch bis „mindestens“ 2035 weiterlaufen zu lassen – die Kosten in Höhe von € 20 Milliarden teilen sich der Betreiberkonzern und die belgischen Steuerzahler:innen.
Anti-Atom-Proteste
Obwohl in der Bevölkerung große Unsicherheit über den Einsatz von Atomenergie herrscht, formierte sich der Protest erst nach den Reaktorkatastrophen von Fukushima. Insbesondere die benachbarten deutschen Städteregionen Aachen und Köln sind zunehmend besorgt über die belgischen Reaktoren, auch aufgrund der festgestellten Risse in einigen der Reaktordruckbehälter.
Entsorgung
Bis 1980 war die „Müll“-Abteilung beim Mol-Zentrum (Forschungs- und Entwicklungszentrum) für die Behandlung und Lagerung des Atommülls verantwortlich. Basis waren die Verträge, die das Mol-Zentrum mit den größten Atommüll-Erzeugern Belgiens unterzeichnet hatte. 1981 wurde die ONDRAF („Organisme National pour les Déchets Radioactifs et les Matières Fossiles Enrichies“), die nationale Organisation für radioaktive und spaltbare Abfälle, gegründet. Seither werden Abfälle in Mol und Dessel unter der Leitung von BELGOPROCESS gelagert und behandelt. 1997 war die ONDRAF an Projekten beteiligt, die sich mit dem Transport, der Bearbeitung, der Konditionierung und der Lagerung von radioaktivem Müll beschäftigten. Ein Teil des belgischen Atommülls wurde in der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) La Hague/Frankreich aufbereitet. Insgesamt kamen 1997 sieben Prozent des gesamten Atommülls, der in La Hague aufbereitet wurde, aus Belgien. Belgien hat aber bereits 1993 die Neuverträge mit La Hague eingefroren. Eine endgültige Lösung des Atommüll-Problems in Belgien ist derzeit nicht in Sicht.
Der Anteil der Atomenergie am Gesamtstrom beträgt 46,4 %.
Standort Doel
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Druckwasserreaktor | 392 MW | 08/1974 |
Block 2 | Druckwasserreaktor | 433 MW | 08/1975 |
Block 3 | Druckwasserreaktor | 1006 MW | 06/1982–9/2022 |
Block 4 | Druckwasserreaktor | 1008 MW | 04/1985 |
Blöcke 1, 2, 4: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 1979: Block 2: ein Dampferzeuger-Heizrohr bricht, Radioaktivität wird in die Umgebung der nur 8 km von Antwerpen entfernten Anlage abgegeben.
- 1983: bei einem Stromausfall können die vier Notstromgeneratoren wegen Fehlern die Stromversorgung nicht aufrecht erhalten, ein Notkühlsystem kann eine Stunde lang schlimmeres verhindern, bis die Stromversorgung wieder funktioniert.
- 2012: Block 3: die von der Europäischen Union verordneten "Stress-Tests" werden bravurös bestanden - bei einer anschließenden Ultraschall-Üperprüfung des Reaktordruckbehälters werden jedoch tausende feine Risse festgestellt und der Reaktor vorläufig stillgelegt.
- 2014: Block 3: wie beim Reaktor Tihange 2 kommen bei Material-Tests Zweifel an der Festigkeit des Reaktordruckbehälters auf, der Reaktor wird bis auf weiteres heruntergefahren
- 2014: Block 4: Sabotage, Schmieröl-Tank wird geöffnet und läuft leer, dadurch Beschädigung einer Dampfturbine, Reaktor-Notabschaltung, bis der Schaden behoben ist
- 2015: Block 3: wie beim Reaktor Tihange 2 stellt die Nuklearaufsicht FANC fest, dass die Risse im Reaktordruckbehälter noch viel zahlreicher sind als ursprünglich angenommen – 13 047 Risse!
- 2015: Block 1: es kommt zu Transformatorbrand und –explosion bei einem abgeschalteten Reaktor
- 2015: Block 3: vier Tage nach Wiederhochfahren des Reaktors kommt es zu einem Leck an der Heißwasserleitung
- 2016: Block 1: infolge von Turbinenproblemen kommt es zum Stillstand
- 2016: Block 1: aufgrund eines Leistungsregler-Fehlers kommt es zu einer Schnellabschaltung
- 2016: Block 3: aufgrund eines Softwareproblems bei einem Turbinentest kommt es zur Schnellabschaltung
- 2018: Block 1: es kommt zu einem Leck in der Notkühlleistung, die Öffentlichkeit wird erst nach einer Woche informiert, die Reparatur kann erst nach vollständiger Entnahme des Kernbrennstoffes beginnen
- 2018: Block 4: aufgrund eines Fehlers im Turbinenbetriebssystem kommt es zur Abschaltung
Standort Tihange
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Druckwasserreaktor | 962 MW | 03/1975 |
Block 2 | Druckwasserreaktor | 1008 MW |
10/1982–1/2023 |
Block 3 | Druckwasserreaktor | 1015 MW | 06/1985 |
Blöcke 1 und 3: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 2002: in abgeschaltetem Zustand wird fälschlich ein Druckventil des Primärkreislaufes geöffnet, Sicherheitssysteme müssen Wasser nachspeisen, um den Druck aufrecht zu erhalten.
- 2012: Block 2: Risse im Reaktordruckbehälter werden festgestellt und der Reaktor vorläufig stillgelegt, genauso wie der von der gleichen Firma hergestellte Druckbehälter von Doel 3.
- 2012: Block 1: Gruppe von Heizstäben des Druckhalters außer Funktion. Dies gaben die belgischen Aufsichtsbehörden erst eine Woche später bekannt. (INES 1)
- 2012: Block 1: Aus einem Leck in einem Desaktivierungsbecken von Block 1 treten seit mehreren Jahren täglich rund zwei Liter radioaktiv verseuchtes Wasser aus. Es heißt das Wasser wird aufgefangen und mit Bor dekontaminiert.
- 2013: Bei Bauarbeiten wird eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gelände des AKWs gefunden und durch eine gezielte Explosion entschärft
- 2014: Block 2: wie beim Reaktor Doel 3 kommen bei Material-Tests Zweifel an der Festigkeit des Reaktordruckbehälters auf, der Reaktor wird bis auf weiteres heruntergefahren
- 2014: Block 3: Ende November Brand mehrerer Kabel in Transformator, Notabschaltung
- 2015: Block 2: wie beim Reaktor Doel 3 stellt die Nuklearaufsicht FANC fest, dass die Risse im Reaktordruckbehälter noch viel zahlreicher sind, als ursprünglich angenommen - 3149 Risse
- 2015: Block 1: Problem an Wasserpumpe, Schnellabschaltung
- 2016: Block 1: Problem an Wasserpumpe, Abschaltung
- 2017: Block 1: Defekt an Wasserpumpe, Abschaltung
- 2018: Block1: Es wird bekannt, dass zwischen 2013 und 2015 "Vorläuferereignisse" passiert sind, diese sind Vorboten für Schäden im Reaktorkern
Links
AVN: Nuclear in Belgium/Overview: www.avn.beexternal link, opens in a new tab
Belgian Nuclear Research Center in Mol: www.sckcen.beexternal link, opens in a new tab
Hier geht's zur interaktiven AKW-Europakarteexternal link, opens in a new tab
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