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Atomkraft in der Ukraine
In der Ukraine werden 15 Reaktoren an vier Standorten betrieben.
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Atomenergienutzung
In der Ukraine laufen heute 15 Druckwasserreaktoren an vier Standorten und produzierten 2021 55 Prozent des Gesamtstroms des Landes, zwei weitere Reaktoren sind seit mehr als 30 Jahren offiziell „im Bau“. Es gibt (vage) Pläne für bis zu 9 weitere Reaktoren. Am Standort Tschernobyl sind inzwischen alle Reaktoren stillgelegt. Wegen der schlechten Wirtschaftslage in der Ukraine gibt es zahlreiche Probleme in der Kernenergieindustrie, Schwächen gibt es sowohl beim Material als auch bei der Betriebsführung.
Im Jahr 2022 kam es aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine erstmals in der Weltgeschichte zum Beschuss und zur kriegerischen Eroberung eines Atomkraftwerks in Saporischschja, des größten AKW in Europa. Auch alle anderen Atomkraftwerke waren vom Krieg betroffen, teilweise indirekt durch den Ausfall des Stromnetzes.
Atompolitische Debatte
Das ukrainische Atomprogramm startete in den 1970er Jahren mit dem Bau von vier Reaktoren in Tschernobyl. Es folgte ab den 1980er Jahren ein massiver Ausbau der Atomkraft an vier weiteren Standorten, wobei fast durchwegs sehr groß dimensionierte Druckwasser-AKWs entstanden. 1986 ereignete sich dann der weltweit bislang dramatischste Atomunfall an Block 4 in Tschernobyl. Gleich nach dem Super-GAU wurde – unter vielfach tödlicher Verstrahlung vieler Arbeiter – ein Sarkophag aus Stahl und Beton um den zerstörten Reaktorblock gebaut. Dessen Zustand ist jedoch schon längst besorgniserregend: seit Jahren gilt die marode Decke als akut einsturzgefährdet. Mit dem durch die Risse eindringenden Regenwasser könnte eine erneute Kettenreaktion in Gang gesetzt werden.
Nachdem 1992 auch in Block 2 in Tschernobyl ein Feuer ausgebrochen war, beschloss das ukrainische Parlament zunächst die Stilllegung dieser hochgefährlichen Reaktoren und stoppte den Bau an drei weiteren Standorten. Doch die wirtschaftlich marode Situation des Landes bewirkte schon bald eine Aufhebung dieser Beschlüsse. Der letzte Reaktor von Tschernobyl, von der Regierung als Verhandlungsmittel in internationalen Finanzprogrammen eingesetzt, stellte schließlich erst im Jahre 2000 endgültig den Betrieb ein. Im Gegenzug erreichte die Regierung eine Finanzhilfe für die unsinnige Fertigstellung von Reaktoren in Khmelnitsky und Rovno, die die Überkapazität der ukrainischen Stromproduktion noch erhöhen wird. 2009 schlossen Russland und die Ukraine ein Abkommen zum Fertigbau von Khmelnitsky und die vollständige Belieferung der Ukraine mit russischen Kernbrennstäben.
Anti-Atom-Proteste
Nach der Reaktorkatastrophe gab es weltweit Aktionen gegen den Weiterbetrieb der anderen Tschernobyl-Blöcke. Gegen den Kredit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) für den Weiterbau der AKWs gab es Ende der 1990er Jahre europaweiten Protest. Mitglieder einer ukrainischen Umweltorganisation wurden dabei mehrfach Opfer des staatlichen Sicherheitsdienstes, wurden inhaftiert oder erhielten Morddrohungen.
Der Anteil der Atomenergie am Gesamtstrom beträgt 55 %.
Standort Tschernobyl [stillgelegt]
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | RBMK 1000 | 740 MW | 09/1977 - 11/1996 stillgelegt |
Block 2 | RBMK 1000 | 925 MW | 12/1978 - 10/1991 stillgelegt |
Block 3 | RBMK 1000 | 925 MW | 12/1981 - 12/2000 stillgelegt |
Block 4 | RBMK 1000 | 925 MW | 12/1983 - 26. April 1986 explodiert |
Störfälle (Auswahl):
- September 1982: Block 1: Unfall im Block (INES 5).
- 1986: Block 4: bei einem fehlgeschlagenen Sicherheitstest explodiert der Block. Die Russische Akademie der Wissenschaften geht bisher von 60.000 Todesfällen in Russland und 140.000 in der Ukraine und Weißrussland aus, die durch den Super-GAU verursacht wurden.
Standort Khmelnitsky
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 12/1987 |
Block 2 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 08/2004 |
Block 3 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | In Bau |
Block 4 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | In Bau |
Blick 1: Hochsicherheitsreaktor, älter als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 2015: Block 1: Kühlwasser-Leck an für Reparaturarbeiten abgeschaltetem Reaktor
- 2016: Block 1: Austritt von radioaktivem Wasser, Notabschaltung
- 2022: Block 1-4: Notfallsystem wird infolge des russischen Beschusses der Ukraine aktiviert – alle Reaktoren automatisch vom Stromnetz getrennt und notabgeschaltet
Standort Rovno
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Druckwasserreaktor WWER-440/213 | 381 MW | 12/1980 |
Block 2 | Druckwasserreaktor WWER-440/213 | 376 MW | 12/1981 |
Block 3 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 12/1986 |
Block 4 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 10/2004 |
Block 1, 2, 3 Hochrisikoreaktor, kein Containment
Störfälle (Auswahl):
- 2013: Block 3: Notabschaltung nach Abfall des Wasserstands in den Dampferzeugern und der Abschaltung der Hauptumwälzpumpen
- 2022: Block 1-3: Notfallsystem wird infolge des russischen Beschusses der Ukraine aktiviert – alle Reaktoren automatisch vom Stromnetz getrennt und notabgeschaltet
Standort Süd-Ukraine
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Druckwasserreaktor WWER-1000/302 | 950 MW | 12/1982 |
Block 2 | Druckwasserreaktor WWER-1000/338 | 950 MW | 01/1985 |
Block 3 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 09/1989 |
Alle Blöcke: Hochrisikoreaktor, äler als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 2012: Block 2: Ausfall des Transformators und der Hochspannungsleitung führt zu Reaktorschnellabschaltug.
- 2022: Im Zuge der Kampfhandlungen aufgrund der russischen Besetzung der Ukraine kommt es u. a. zu Raketeneinschlag nur 300 Meter entfernt von Reaktorgebäuden
- 2022: Block 1-3: Notfallsystem wird infolge des russischen Beschusses der Ukraine aktiviert – alle Reaktoren automatisch vom Stromnetz getrennt und notabgeschaltet
Standort Saporischschja
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 12/1984 |
Block 2 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 07/1985 |
Block 3 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 12/1986 |
Block 4 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 12/1987 |
Block 5 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 08/1989 |
Block 6 | Druckwasserreaktor WWER-1000/320 | 950 MW | 10/1995 |
Block 1, 2, 3, 4, 5: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 2015: Notabschaltung als Folge von Netzunstabilität durch Sabotage (Sprengung von Hochspannungs-Masten in der Krim-Region durch Separatisten)
- 2022: Im Zuge des Kriegs und der Kampfhandlungen durch die russische Besetzung der Anlage ab März kommt es wiederholt zu Beschuss des AKW und Beschädigungen der Reaktorgebäude und Atommüll-Transfergebäude. Zeitweise wird Reaktor 6 über mehrere Tage im Inselbetrieb in niedrigem Leistungszustand betrieben, um die Notstromversorgung der Anlage sicherzustellen, was nicht den Auslegungs-Bedingungen entspricht.
Links:
Projekt Tschernobyl-Kinder von GLOBAL 2000
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