Atomkraft in Großbritannien

In Großbritannien werden 9 Reaktoren auf vier Standorten betrieben.

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In Großbritannien sind aktuell 9 Atom-Reaktoren in Betrieb, von denen alle bis auf einen bereits 30 Jahre oder älter sind und 2022 14,2 Prozent der Gesamtstromproduktion liefern. In Sellafield, an der Irischen See in Nordwestengland, befindet sich der große Nuklearkomplex Windscale, der durch häufige nukleare Störfälle bekannt und unter anderem deshalb in die Gesamtanlage Sellafield integriert wurde.

Auf dem Gelände befinden sich zahlreiche kerntechnische Anlagen, darunter zwei Wiederaufarbeitungsanlagen. Die ältere Anlage B205 dient dazu, abgebrannte metallische Brennelemente aus den britischen Magnox-Reaktoren aufzuarbeiten. Die neuere THORP-Anlage (Thermal Oxide Reprocessing Plant) ist für die Wiederaufarbeitung von oxidischen Brennstoffen ausgelegt, die sowohl aus den britischen als auch aus ausländischen Reaktoren stammen. Die Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield sind wegen ihrer Leitungen von radioaktiven Stoffen in die Irische See umstritten. Die Kontamination der unmittelbaren Umgebung wird in manchen Quellen mit der gesperrten Zone um Tschernobyl verglichen, was sich in staatlichen Protesten u. a. aus Irland und Norwegen widerspiegelt. Daneben befindet sich auf dem Gelände auch die Sellafield MOX Plant (SMP), die Uran/Plutonium-Mischoxid-Brennelementen herstellte, jedoch ein technisches und finanzielles Desaster war und schlussendlich stillgelegt wurde.

Großbritanniens Atompolitik steht für Pannen, radioaktive Verseuchung und Vertuschungen 

Am 10. Oktober 1957 kam es im AKW in Windscale (heute Sellafield) zu einem Brand, bei dem große Mengen Radioaktivität freigesetzt wurde, die sich über Großbritannien und über das europäische Festland ausbreiteten. Auf der heute gültigen siebenstufigen Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse wird dieser Unfall als Ernster Unfall (Stufe 5) eingestuft (wie beispielsweise der von Three Mile Island).

Durch die Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield kommt es zur Verseuchung der Meere. Ebenfalls in Sellafield wurde im April 2005 ein Leck entdeckt, durch das etwa 83.000 Liter einer hoch radioaktiven, aus Salpetersäure, Uran und Plutonium bestehenden Flüssigkeit über Monate hinweg unbemerkt entweichen konnten. Die Flüssigkeit wurde zwar in der Anlage aufgefangen, Teile der Anlage sind aber schwer kontaminiert. Der Störfall wurde von der Internationalen Atomenergie-Organisation als ernster Störfall eingestuft. Die Öffentlichkeit wurde erst Wochen später informiert.

Atompolitische Debatte

Lange Zeit stand im Mittelpunkt der britischen Debatte die radioaktive Verseuchung der Meere durch die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield. Rund eine halbe Tonne des schon im Mikrogrammbereich hochgiftigen Plutoniums wurde in den letzten 40 Jahren von dort ins Meer geleitet. Inzwischen wurde Plutonium aus Sellafield in den Zähnen englischer Kinder nachgewiesen. Bei voller Last emittiert die Anlage jährlich ein fünftel der im Super-GAU von Tschernobyl freigesetzten Radioaktivität. Massive, auch staatliche Proteste u. a. aus Irland und Norwegen führten zu gewissen Verbesserungen: so wurde versucht durch ein neues Abtrennverfahren die Einleitung des Isotops Technetium-99 zu vermeiden.

2005 allerdings entfachte der damalige britische Premier eine Debatte über den Ausbau der Atomkraft, 2006 gab die Labour-Regierung dann grünes Licht für Neubauten und versprach, die Genehmigungsverfahren zu erleichtern. Im März 2008 forderte die Regierung einheimische und internationale Unternehmen auf, innerhalb von vier Wochen zu sagen, ob und an welchen Standorten sie am Bau neuer Kernkraftwerke interessiert sind. Die britische Nuclear Decommissioning Authority stellt für das Programm zum Bau neuer Reaktoren bis zu 18 mögliche Standorte mit umfangreichem Baugelände zum Verkauf. Die beiden deutschen Energieriesen EON und RWE sowie die französische EDF zeigten Interesse: Der französische Staatskonzern EDF, schon jetzt der größte AKW-Betreiber der Welt, will vier Werke in Großbritannien bauen. EON und RWE wollen gemeinsam neue Atomkraftwerke bauen. Und auch die spanisch-französische Gruppe Iberdrola/GDF Suez ist interessiert.

Die neue liberal/demokratische Troy-Regierung beschloss den Neubau von AKWs in Großbritannien zu ermöglichen, ohne diese jedoch finanziell direkt zu unterstützen. Ein komplexes System aus Einspeisetarifen und Differenzkontrakten soll die Investition in Neubauten ermöglichen. Die ersten Reaktoren werden am Hinkley Point Standort errichtet werden. 

Anti-Atom-Proteste

Proteste in Großbritannien richten sich entschieden gegen die Anlage Sellafield. Sie entzündeten sich unter anderem am zehnfach höheren Blutkrebsrisiko bei Kindern im Umfeld der Anlage. Ein gesondertes Atomprogramm in Irland wurde durch einen landesweiten Transportarbeiter-Streik sowie mehreren Sommercamps auf dem Baugelände eines AKW verhindert. Immer wieder zeigten Umfragen in der Bevölkerung, dass die Mehrheit gegen den Neubau von AKWs ist (z.B. Januar 2006: BBC Umfrage: 72 Prozent sprachen sich gegen AKW-Neubauten aus). Anti-Atomkraft-Organisationen wie Friends of the Earth, Greenpeace oder auch das UK Rivers Network protestieren lautstark gegen den Ausbau und verweisen nicht zuletzt auf die gigantischen Geldsummen, die der Atommüll und Atomschäden bereits verschlungen haben. Jüngste Proteste konzentrierten sich auf den Standort des geplanten Kraftwerk in Hinkley Point

Der Anteil der Atomenergie am Gesamtstrom beträgt 14,2 %.

Standort Berkeley [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 138 MW 06/1962 - 03/1989
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 138 MW 06/1962 - 10/1988
stillgelegt

Standort Bradwell [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 123 MW 07/1962 - 03/2002
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 123 MW 07/1962 - 03/2002
stillgelegt

Standort Calder Hall [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50 MW 08/1956 - 03/2003
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50MW 02/1957 - 03/2003
stillgelegt
Block 3 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50 MW 03/1958 - 03/2003
stillgelegt
Block 4 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50 MW 04/1959 - 03/2003
stillgelegt

Standort Chapelcross [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50 MW 02/1959 - 06/2004
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50MW 07/1959 - 06/2004
stillgelegt
Block 3 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50 MW 11/1959 - 06/2004
stillgelegt
Block 4 Gasgekühlter Reaktor Magnox 50 MW 01/1960 - 06/2004
stillgelegt

Störfälle (Auswahl):

  • 1967: Block 2: Feuer und teilweise Kernschmelze eines Brennelements.

Standort Dounreay PFR [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block A1 Schneller Brüter 234 MW

01/1975 - 03/1994
stillgelegt

Störfälle (Auswahl):

  • 1977: Explosion in einem Schacht, in dem ungeordnet und unregistriert radioaktives Material verfüllt wurde, seither wird erhöhte Radioaktivität an der Küste vor der Anlage gemessen. (BBC, 22.4.1998)

Standort Dungeness [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 225 MW 09/1965 - 12/2006
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 225 MW 11/1965 - 12/2006
stillgelegt
Block 3 Gasgekühlter Reaktor AGR 545 MW 12/1985 - 6/2021
stillgelegt
Block 4 Gasgekühlter Reaktor AGR 545 MW 04/1983 - 6/2021
stillgelegt

Störfälle (Auswahl):

  • 2009: Feuer in Dampferzeuger-Halle nahe Reaktor 3 führt zur Abschaltung.
  • 2019: IAEA stuft die "unakzeptable" Korrosion von Erdbebenverstärkungen, Rohren und Speichern mit Sicherheitsfunktion auf Stufe 2 der International Nuclear and Radiological Events Scale (INES) ein
  • 2021: Blöcke 3 und 4: wegen "einzigartiger, signifikater und anhaltender Probleme" mit Rohrleitungen und Dampferzeugern beschließt der Betreiberkonzern die Stilllegung - das zeigt die Unberechenbarkeit von alten, verschlissenen Reaktoren.

Standort Hartlepool

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor AGR 595 MW 08/1983
Block 2 Gasgekühlter Reaktor AGR 595 MW 10/1984

Alle Blöcke: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre

Störfälle (Auswahl):

  • 2023: Block B2: manuelle Abschaltung nach „Problemen mit einer Sicherung“ in der Elektrik des vierzig Jahre alten Reaktors
  • 2024: Block 1 und 2: Abschaltung für Kontrollen nach Versagen eines baugleichen Dampfventils im Reaktor Heysham 1

Standort Heysham

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor AGR 585 MW 07/1983
Block 2 Gasgekühlter Reaktor AGR 575 MW 10/1984
Block 3 Gasgekühlter Reaktor AGR 615 MW 07/1988
Block 4 Gasgekühlter Reaktor AGR 625 MW 11/1988

Alle Blöcke: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre

Störfälle (Auswahl):

 

  • 2024: Block 1: Abschaltung wegen Versagen eines Dampfventils, für Kontrollen wird auch Block 2 abgeschaltet

Standort Hinkley Point

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block A1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 235MW 02/1965 - 05/2000
stillgelegt
Block A2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 235 MW 03/1965 - 05/2000
stillgelegt
Block B1 Gasgekühlter Reaktor AGR 430 MW 10/1976–8/2022 stillgelegt
Block B2 Gasgekühlter Reaktor AGR 430 MW 02/1976–7/2022 stillgelegt
Block C1 Druckwasserreaktor EPR 1600 MW geplant 2025, jetzt 2029
Block C2 Druckwasserreaktor EPR 1600 MW geplant 2025, jetzt 2029

Standort Hunterston [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block A1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 150 MW 03/1964 - 03/1990
stillgelegt
Block A2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 150 MW 09/1964 - 12/1989
stillgelegt
Block B1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 420 MW 02/1976 - 11/2021
stillgelegt
Block B2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 420 MW 03/1977 - 1/2022
stillgelegt

Störfälle (Auswahl):

  • 2014: Block B2: Risse werden in zwei Graphitblöcken festgestellt, die als Neutronen-Moderatur dienen, Anlagebetreiber hält dies für "vorhersehbaren" Alterungsprozess.
  • 2015: Block B1: Seetang im Meer verstopft Filter der Kühlwasser-Ansaugstutzen, Abschaltung. Leistung von Block B2 muss reduziert werden.
  • 2018: Block B1: 350 Risse in Graphitblöcken im Reaktorkern, die das Einfahren der Kontrollstäbe verhindern könnten - wesentlich mehr als erwartet, der Reaktor war für Kontrollen sechs Monate offline

Standort Oldbury [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 217 MW 11/1967 - 02/2012
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 217MW 04/1968 - 06/2011
stillgelegt

Störfälle (Auswahl):

  • 2007: Block 2: Brand eines Generators und Vibrationen einer Turbine führen innerhalb von 2 Monaten zu 2 Reaktorschnellabschaltungen.
  • März 2011: Block 2: bei Instandhaltungsarbeiten überhitzt ein Relais, die Turbine schaltet ab und eine Reaktorschnellabschaltung muss ausgelöst werden.
  • Juli 2011: Block 1: Schnellabschaltung nach Problemen mit der „refueling machinery“.

Standort Sizewell

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block A1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 210 MW 01/1966 - 12/2006
stillgelegt
Block A2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 210 MW 04/1966 - 12/2006
stillgelegt
Block B Druckwasserreaktor 1188 MW 02/1995

Störfälle (Auswahl):

  • März 2010: Block B: Abschaltung wegen Problemen mit der Luftfeuchtigkeit im Containment
  • 3. Juli 2010 Block B: Feuer im Gebäude des Kohleabsorbers kann erst nach sechseinhalb Stunden unter Kontrolle gebracht werden, der Reaktor stand aber ohnehin wegen des vorigen Zwischenfalls still.

Standort Torness

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor AGR 625 MW 05/1988
Block 2 Gasgekühlter Reaktor AGR 625 MW 02/1989

Block 1, 2: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre

Störfälle (Auswahl):

  • Juni 2011: Quallen in der Kühlwasserzuleitung verstopfen die Filter, beide Blocks müssen heruntergefahren werden.
  • Mai 2013 müssen wieder beide Blocks wegen der Verstopfung des Kühlsystems heruntergefahren werden, diesmal verstopft Seetang die Filter
  • Februar 2018 verstopft wieder Seetang die Filter, bei einem Reaktor erfolgt eine Schnellabschaltung
  • Juni 2020: Block 2: Ein Schlüssel-Ventil in einer Dampfturbine schließt plötzlich, es kommt zur Schnellabschaltung

Standort Trawsfynydd [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor
Magnox
195 MW 01/1965 - 02/1991
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor
Magnox
195 MW 02/1965 - 02/1991
stillgelegt

Standort Windscale (Sellafield) [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor AGR 32 MW 03/1963 - 04/1981
stillgelegt

Störfälle (Auswahl):

  • 1957: auf dem Windscale/Sellafield-Gelände kommt es beim Brand in einem Plutonium erzeugenden Schnellen Brüter zur massiven Freisetzung von radioaktiv verseuchten Gasen, die sich über das Land ausbreiten, die Menschen werden nicht informiert. 9000 m³ Löschwasser bilden einen radioaktiven See in der Anlage, 2 Millionen Liter kontaminierte Milch werden in die Irische See verklappt, Aufzeichnungen über die Kontamination der Milch werden unter Verschluss gehalten. Vorsichtige Schätzungen gehen von mindestens 240 Todesfällen aus, die direkt mit dem Unfall in Verbindung gebracht werden können (Atmospheric Environment, Bd.41, S.3904, 2007).
  • 2005: ein Leck wird entdeckt, durch das über Monate hinweg 83.000 Liter hochradioaktive Flüssigkeit auslaufen konnten; Teile der Anlage sind schwer kontaminiert.
  • 2013: Sellafield-Dekommissionierungsfirma Nuclear Management Partners zahlt einem ihrer US-Manager £ 714 Taxispesen für seine Katze!

Standort Winfrith SGHWR [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 leichtwassergekühlter Reaktor
mit schwerem Wasser moderiert
92 MW 12/1967- 09/1990
stillgelegt

Standort Wylfa [stillgelegt]

Blocknr Typ Nettoleistung Inbetriebnahme
Block 1 Gasgekühlter Reaktor Magnox 490 MW 01/1971 - 12/2015
stillgelegt
Block 2 Gasgekühlter Reaktor Magnox 490 MW 07/1971 - 04/2012
stillgelegt