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Whistleblower: AKW Mochovce 3 - Baustelle außer Kontrolle
Fotos von Informant:innen belegen unfassbare Mängel auf der Baustelle im AKW Mochovce 3.
Beim jährlichen Treffen der europäischen Atomaufsichten der European Nuclear Safety Regulators Group (ENSREG) in Brüssel konfrontierten unsere Campaigner:innen Patricia Lorenz und Reinhard Uhrig die Chefin der slowakischen Atomaufsicht UJD, Marta Žiaková. Neue Foto- und Video-Beweise zum katastrophalen Zustand der Reaktor-Baustelle im slowakischen Mochovce zeigen das Versagen der Kontrollfunktion der slowakischen Behörde.
Wir fordern den sofortigen Baustopp von AKW Mochovce 3external link, opens in a new tab! Solange die angekündigten internationalen Prüf-Missionen der World Association of Nuclear Operators und der Internationalen Atomenergie-Organisation nicht durchgeführt werden, darf der Bau nicht weiter geführt werden. Diese Prüfungen müssen gründlich, transparent und unter Einbeziehung von kritischen Ingenieur:innen durchgeführt werden. Dadurch soll das Unter-den-Teppich-Kehren von großen Problemen verhindert werden.
Seit Jahren ist der Weiterbau des Projekts außer Kontrolle geraten:
Im Oktober 2018 werden bei einem geleakten Bericht erstmals grobe Sicherheitsmängel bekannt
Im Oktober 2018 werden bei einem geleakten Bericht erstmals grobe Sicherheitsmängel bekannt
Ein Bericht der World Association of Nuclear Operators (WANO MO34/PRZ-10/2017) zeugt von der systematischen Vernachlässigung der Sicherheit bei der Errichtung der Blöcke 3 und 4 des AKW Mochovce, die zu unkalkulierbaren Unfällen führen kann. Die Vereinigung der Betreiber von Nuklearanlagen stellt sich in der Regel gegenseitig Zeugnisse höchster Betriebssicherheit aus. Der geleakte kritische Bericht ist die absolute Ausnahme. Uns wurde ein hochbrisanter Bericht der atomfreundlichen Betreibervereinigung WANO zugespielt, der dutzende schwere Probleme auf der Reaktor-Baustelle aufzeigt und in scharfen Worten vor katastrophalen Auswirkungen warnt.
WANO-Bericht enthüllt dutzende Probleme auf Baustelle
Die hohe Anzahl von Empfehlungen (insgesamt 47) und deren Inhalt im geleakten WANO-Bericht ist außerordentlich. Generell werden Schritte empfohlen, die seit Baubeginn völlig selbstverständlich sein sollten: So werden regelmäßige Kontrollen empfohlen und problematische Zustände aufgedeckt, die zu Beschädigungen und zum Verdrecken des Equipments geführt haben. Besonders brisant wird in Empfehlung 1 festgestellt, dass es durch nicht klar definierte Verantwortlichkeiten unter anderem zu unerwarteten Fehlern von Komponenten und deren verkürzter Lebensdauer kommen kann. Das bedeutet im Klartext Komponentenversagen mit einer Kette von nachfolgenden Konsequenzen bis hin zum Ausfall von kritischer Infrastruktur und zu schweren Unfällen, bei einem Reaktortyp ohne modernes Containment, auf technischem Stand der 70er-Jahre.
Für den Bereich "Betrieb" sieht der Bericht die Einhaltung von hohen Standards im Kontrollraum als nicht gesichert, Empfehlung 5 legt die Einführung genauerer Kontrollen bei Aktivitäten nahe, die auch die sicherheitstechnisch sehr bedeutende Reaktorschnellabschaltung und Reaktivitätskontrolle betreffen. Von sehr problematischen Zuständen und Fehlen fast jeglicher Sicherheitskultur zeugt Empfehlung Nr. 7. Die Betriebsmannschaft soll darauf achten, dass Räume mit empfindlichen Komponenten sauber und geschützt vor Beschädigung bleiben, das gilt auch für die Elektrik - es ist zu beachten, dass insbesondere verschmutzte Elektrik im Betrieb zu unerwarteten Fehlern und Ausfällen führen kann.
Der geleakte WANO-Bericht zeigt klar, dass die Sicherheit des Bauprojektes AKW Mochovce 3, 4 nicht behauptet werden kann. Unter diesen Umständen ist die für das erste Halbjahr 2019 geplante Inbetriebnahme der Reaktoren grob fahrlässig, eine unabhängige technische Kontrolle des tatsächlichen Zustands der AKW-Projekts unter Beteiligung von österreichischen und internationalen Exper:innen ist dringend nötig. Die österreichische Bundesregierung ist jetzt gefordert, gemeinsam mit uns gegen die direkt bevorstehende Inbetriebnahme zu kämpfen.
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Im April 2019 werden gravierende Baumängel durch Whistleblower aufgedeckt
Im April 2019 werden gravierende Baumängel durch Whistleblower aufgedeckt
Einige Bilder aus Mochovce zeigen Fehler im Anschluss der Sanitärbereiche external link, opens in a new tabwie etwa Waschbecken, die fernab ihrer Abflüsse montiert wurden. Solche Aufnahmen sorgten bereits vor einem Jahr im Internet für Belustigung. Im atomaren Bereich ist die Situation jedoch sehr ernst. So wurden zum Beispiel unkontrollierte Bohrungen in die Hüllen des Schutzbereiches, die hermetischen Kammern (in der Grafik unten gelb markiert) vorgenommen. Diese hermetischen Kammern sollen austretende Strahlung kurzfristig aufhalten. Außerhalb davon gibt es im Bautyp von Mochovce 3 und 4 keinen weiteren Strahlenschutz (Containment). Durch die Bohrungen sollten eigentlich Befestigungen für Kabel montiert werden. Wegen verstärkenden Metallplatten konnte jedoch kein Metallsuchgerät an der Wand angesetzt werden. Die Bohrungen wurden also blind durchgeführt. Etwa 10.000 mal. Aufgrund dieser mangelnden Planung sorgen die Bohrlöcher nun für statische Instabilität. Im Falle einer gröberen Störung wie einer Explosion oder einem Erdbeben ist keinerlei Sicherheit mehr gewährleistet. Die Kammern würden einstürzen und die atomare Strahlung könnte ungehindert austreten.
Der beteiligte Maschinenbau-Ingenieur Mario Zadra berichtet außerdem von brennenden Kabeln und brechenden Ventilen. Auf seinen Fotos zeichnet sich das Chaos ab. Kabelstränge ragen ungeordnet und ungesichert aus den Wänden. Rohre sind auf Knöchelhöhe quer durch den Raum verlegt. Es gibt offizielle Berichte, die Erneuerungen der Problemstellen dokumentieren sollen. Diese Erneuerungen haben jedoch in Wirklichkeit niemals stattgefunden. Die betroffenen Teile befinden sich noch immer im Einsatz.
Bestehende Mängel sind irreparabel
Aufgrund des veralteten Bautypus der Reaktoren sind die derzeitigen Probleme schlichtweg nicht behebbar. Der österreichische Reaktor-Experte Emmerich Seidelberger erklärt: „Veraltete Technologie auf den heutigen Stand von Technik und Wissenschaft zu bringen, ist da nicht möglich!“ Die einzige Möglichkeit das Kraftwerk sicher hochfahren zu können wäre ein kompletter Neubau. Eine direkte Investition in erneuerbare Energiequellen wäre sowohl kostengünstiger, als auch effizienter.
Ein weiteres Problem stellt der Standort des Kraftwerks dar. Direkt über dem Reaktor befindet sich eine Flugroute für Passagierflugzeuge nach Wien. Im Falle eines Absturzes besteht keinerlei Absicherung für das Gebäude. Auch Drohnen können problemlos über das Gelände geschickt werden. Zum Baustart des Kraftwerks waren solche Faktoren noch kein Thema. Aus heutiger Sicht bedeuten sie jedoch eine stark erhöhte Terrorgefahr.
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Neue Belege von weiteren Informanten
Aufgrund der Diskussion und Medienberichterstattung in der Slowakei haben sich mehrere weitere Manager und Ingenieure des Projekts an uns gewandt.
Die neuen Informationen und Foto-Belege betreffen den aktuellen Zustand des Projekts (Jänner / März 2019). Sowohl der weiterhin ungenügenden Zustand der Bauleitung, die die verschiedenen Gewerke der Baustelle nicht unter Kontrolle hat, als auch schwerwiegende Probleme bei den aktuellen Inbetriebnahme-Tests (hot hydro tests) von Reaktor 3, die laut einem weiteren Informanten in dieser Phase nicht auftreten dürften, sind davon betroffen. So brachen Ventile im Primärkreislauf, die laut Papieren zwar erneuert worden waren, vermutlich aber alte, unerneuerte Bauteile waren. Dies wurde schon von Whistleblower Mario Zadra im April für viele Bauteile dokumentiert.
Fotobelege aktueller Probleme auf der Baustelle
Neue Foto von einem dritten Whistleblower (der aus Sicherheitsgründen anonym bleibt), der bis Frühling 2019 als Manager in Reaktor 3 tätig war, zeigen neben neuen ernsten Mängeln auch dass die Probleme von denen Mario Zadra schon 2017/2018 berichtet hatte, noch immer nicht behoben sind. Dieser Whistleblower hat uns über 650 Fotos und Video zugespielt, eine Auswahl daraus finden Sie hier:
Nachfolgend sehen Sie ein Foto von Kabelsträngen. Neben der unordentlichen Anordnung der Kabel ist klar zu erkennen, dass das grüne Kabel zu kurz ist. Dieses chaotische Montage der elektrischen Kabel, ohne an Erhitzung / Kühlung zu denken, wird in Zukunft für viele Probleme sorgen. Vom technischen Standpunkt sollten die Kabel neu verlegt werden, denn dieser Zustand ist ernster als es scheint. Um eine Laufzeit von 40 Jahren garantieren zu können, müssen die Kabel eine Überlänge an beiden Enden aufweisen. Damit soll im Falle von Alterung oder Versagen die Wiederherstellung der Verbindungen gewährleist sein.
Auch die nachfolgenden Bilder zeigen die Zustände auf der Baustelle. So wurde beispielsweise ein Baugerüst auf Rohrleitungen montiert, die Decke des Gebäudes in dem der Notfall-Diesel-Generator steht hat ein Loch, durch das Regenwasser eindringen kann und die Kabelkanäle wurden teilweise nicht geschlossen, sodass sich hier Wasser in den Hohlräumen unterhalb der Kabel gesammelt hat.
Update 3.11.2021
Pfusch am Bau nimmt kein Ende
Am 3. November wurde uns erneut on schweren technischen Fehlern auf der Baustelle berichtet: Zur Fixierung der Fangnetze wurden tausende zu kleine Stahlklammern verwendet. Die drücken nun in die Stahlseile und sind schon jetzt beschädigt. Selbst die viel zu schwach dimensionierten Netze sind schon vor Betriebsbeginn beschädigt und müssen ausgetauscht werden. Zusätzlich sind die Stahlnetze aufgrund von minderwertigem Material teilweise auch schon verrostet, wie aktuelle Fotobelege beweisen.
Zusätzliche Barrieren „vergessen“
Als wäre das alles nicht schon beunruhigend genug, wurden zusätzliche Barrieren einfach „vergessen“. Laut den vorliegenden Konstruktionsplänen sollen zusätzliche Barrieren zwischen den Reaktorblöcken installiert werden, um die unterirdisch verlaufenden Strom- und Steuerkabelkanäle vor herabfallenden Trümmern zu schützen. Diese Kabelkanäle verbinden die Notstrom-Dieselgeneratoren mit der Kühlung des Atomkraftwerks, die im Notfall eine Kernschmelze verhindern soll.
Auf den aktuellen Baustellen-Fotos der Insider sucht man diese Zusatz-Barrieren aber vergebens, sie wurden schlichtweg „vergessen“. Dies fiel nichtmal der slowakischen Atomaufsicht auf.
Wir verlangen Transparenz:
Die volle Dokumentation insbesondere der seismischen Ertüchtigung der Ankerplatten muss offengelegt werden. Berechnungen und Tests müssen durchgeführt werden um sicherzustellen, dass die Widerstandsfähigkeit gegen Erdbeben und im Fall von Wasserstoffexplosionen nicht durch die baulichen Veränderungen beeinträchtigt wurde. Dazu ist auf der politischen Ebene die österreichische Bundesregierung aufgefordert, den Kampf gegen die fahrlässige Inbetriebnahme weiterzuführen. Damit erstmals seit 40 Jahren die Inbetriebnahme eines besonders problematischen Atomreaktors verhindert wird.
Sehen Sie im folgenden Dokument weitere Bilder der Zustände auf der Baustelle: Aktuelle Probleme in Mochovce 3 (englisch)