07.04.2022

Neue Gentechnik-Pflanzen in der Entwicklungs-Pipeline

Die führenden Chemie- und Saatgut-Konzerne Bayer, BASF, Corteva und Syngenta nutzen bei der Entwicklung ihrer Produkte neue Verfahren wie CRISPR/Cas. Für welche Pflanzen oder Eigenschaften sie die diese einsetzen, machen sie aber kaum transparent. Unser Factsheet liefert eine Übersicht über neue, gentechnisch veränderte Pflanzen, die gerade entwickelt werden.

Cover der Publikation "Blick in die Entwicklungspipeline - Neue Gentechnik Pflanzen"

GLOBAL 2000 / Christopher Glanzl

Es handelt sich um einen hart umkämpften Nischenmarkt, da erst sehr wenige Pflanzen aus Neuer Gentechnik (NGT) kommerzialisiert werden. Neben kleineren Start-up-Unternehmen wie Benson Hill Biosystems, Calyxt oder Cibus nutzen auch milliardenschwere Chemie- und Saatgut-Konzerne wie Bayer, BASF, Corteva oder Syngenta die Verfahren der NGT in der Pflanzenentwicklung im Labor. Dazu gehören neben CRISPR/Cas auch die Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese und TALEN. Die Großkonzerne experimentieren hauptsächlich mit Soja, Mais und Reis und haben bislang noch keine NGT-Pflanze auf den Markt gebracht. Dennoch sind sie aktiv an der Vergabe von Technologielizenzen und der Finanzierung der Forschungszusammenarbeit beteiligt. Die einzigen Unternehmen, die bereits Einnahmen aus dem Verkauf von NGT-Pflanzen erzielt haben, sind Cibus, Calyxt und Sanatech Seed.

Die meisten marktbeherrschenden Unternehmen lassen nicht durchblicken, für welche NGT-Pflanzen die neuen Verfahren zum Einsatz kommen. GLOBAL 2000 hat gemeinsam mit IG Saatgut untersucht, welche NGT-Pflanzen derzeit in Entwicklung sind und die Ergebnisse in einem Fact-Sheet zusammengefasst.

Kommerzieller Anbau von Pflanzen aus Neuer Gentechnik

Im kommerziellen Anbau befinden sich weltweit erst drei Pflanzen, die mit neuen Gentechnikverfahren entwickelt wurden:

  1. der herbizidresistente Raps der Firma CIBUS, der mittels RTDSTM-Verfahren (Oligonukleotid-gerichtete Mutagenese) entwickelt wurde, und in den USA und Kanada angebaut wird,
  2. die Sojapflanze der Firma Calyxt, die durch TALEN einen veränderten Ölsäuregehalt aufweist, und in den USA angebaut wird, und
  3. die mittels CRISPR/Cas veränderte blutdrucksenkende GABA-Tomate des Unternehmens Sanatech Seed, die einen erhöhten Gehalt an Gamma-Amino-Buttersäure aufweist, und in Japan angebaut wird.

Erster Zulassungsantrag für eine Pflanze aus Neuer Gentechnik in der EU

Erst durch einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wurde bekannt, dass der Gentechriese Corteva an einem Mais arbeitet, der resistent gegen das Herbizid Glufosinat ist und selbst ein Insektengift produziert. Es handelt sich um den bislang einzigen Zulassungsantrag für eine NGT-Pflanze in der EU. Ob dieser Mais bereits kommerziell angebaut wird, ist unklar.

Der Großteil der gentechnisch veränderten Pflanzen, die auf den Markt kommen, werden nach wie vor mittels klassischer Gentechnik entwickelt. Bei den Eigenschaften dieser Pflanzen handelt es sich um mehrere Herbizidresistenzen und/oder Bt-Proteine, die gegen Schädlinge wie den Maiszünsler wirken sollen. Welche NGT-Pflanzen in der EU möglicherweise noch zugelassen werden, lässt sich aus heutiger Sicht nicht sagen.

„Klimafitte“ Pflanzen aus Neuer Gentechnik in weiter Ferne

Gen-Mais

GLOBAL 2000 / Christopher Glanzl

Die Bandbreite der Pflanzeneigenschaften, die mit Hilfe der NGT erreicht werden sollen, ist groß. Sehr weit verbreitet ist der Wunsch nach Pflanzen und deren Früchten, die gegen Unkrautvernichter immun (herbizidresistent), gegen bestimmte Krankheiten gefeit sind, die einen erhöhten oder veränderten Öl- oder Proteingehalt aufweisen, die nicht braun werden (non-browning) oder sich durch einen höheren Ballaststoffgehalt oder eine “verbesserte” Nährstoffzusammensetzung auszeichnen.

Eigenschaften wie Kälte-, Trockenheits- oder Salztoleranz, die als wichtig für eine klimaangepasste Landwirtschaft beschrieben werden, sind nur vereinzelt in den Pipelines der Unternehmen zu finden. Mit marktreifen, „klimafitten“ Pflanzen ist daher in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. „Die Klimakrise drängt und verursacht schon jetzt große Schäden. Wir dürfen nicht Zeit mit dem Bau von Luftschlössern verschwenden, sondern müssen jetzt rasch die agrarökologische Forschung und die Biozüchtung ausbauen. Die Zukunft liegt in einer vielfältigen Landwirtschaft  – die Hand in Hand mit echtem Klima- und Umweltschutz geht.“, sagt Eva Gelinsky von IG Saatgut.

In Österreich, Deutschland oder der Schweiz finden bislang keine Freisetzungsversuche mit NGT-Pflanzen am Feld statt. In Schweden gibt es sie mit Kartoffeln und in Großbritannien mit Weizen. In Belgien liegen derzeit Anträge für drei Maisarten vor und in Spanien für einen Brokkoli.

Derzeit sorgt die strenge Regulierung der (neuen) gentechnischen Verfahren und der damit entwickelten Pflanzen in Europa für Transparenz. Sie gewährleistet eine umfassende Risikoprüfung, eine lückenlose Rückverfolgbarkeit und eine verpflichtende Kennzeichnung. Da die erwähnten Großunternehmen aber alles daran setzen, das aktuell geltende EU-Gentechnikrecht für Landwirtschaft auszuhebeln, braucht es ein Gegengewicht zur geballten Konzernmacht. Mit unserer aktuellen „Pickerl drauf!“-Petition setzen wir uns für die Regulierung und Kennzeichnung von Neuer Gentechnik im Essen ein. Unterschreiben Sie noch heute und tragen auch Sie dazu bei, dass Lebensmittel aus Neuer Gentechnik weiterhin dem strengen EU-Gentechnikrecht unterliegen.