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Biofisch – Von reinen Gewässern und überfischten Meeren
GLOBAL 2000 hat mit DI Marc Mössmer über tiergerechte Fischzucht, bedrohte Arten und einen sinnvollen Fischverzehr gesprochen. Marc Mössmer ist der Begründer der ARGE Biofisch.
GLOBAL 2000: 1992 wurde die ARGE Biofisch gegründet. Welche Ausgangslage hat sie in der konventionellen Fischzucht vorgefunden?
Mössmer: In der konventionellen Fischzucht wurden und werden zum Teil die Fische viel zu dicht gehalten, häufig Antibiotika und manchmal Düngemittel verwendet und es wird zu wenig auf die Tiergerechtigkeit geachtet. In den heute stark diskutierten Kreislaufanlagen zum Beispiel werden die Fische auf sehr engem Raum in einem Becken unter künstlichem Sauerstoff und künstlicher Beleuchtung gehalten. Für die Fütterung in der konventionellen Fischzucht ist auch Fischmehl aus wertvollen Meeresfischen zugelassen. Das Problem ist, für einen Kilo Lebendfischzuwachs bei Raubfischen braucht man mindestens fünf Kilo Meeresbiomasse.
GLOBAL 2000: Wie löst die ARGE Biofisch das Problem der Fütterung?
Mössmer: Für Raubfische wie die Forelle verwenden wir Filetierreste der Speisefisch verarbeitenden Industrie. In der neuen EU-Verordnung sind die Regelungen für Biofisch leider aufgeweicht: Wenn es diese Rohwaren nicht gibt, darf man auch in der Biofischzucht Fischmehl einsetzen, mit der Einschränkung, dass es aus einer nachhaltigen Fischerei kommen muss. Das ist bei den Mitgliedsbetrieben der ARGE Biofisch nicht erlaubt.
GLOBAL 2000: In der Biolandwirtschaft müssen Tiere einen bestimmten Platz zur Verfügung haben. Wie bemisst man den in der Bio-Fischzucht?
Mössmer: Karpfen ernähren sich zum Beispiel hauptsächlich von Naturnahrung aus dem Teich. Der Karpfenteich ist wie eine Weide zu sehen. Die „Weide“ muss vom Frühjahr bis zum Herbst reichen. Ein Karpfen im Waldviertel hat zirca 20 Quadratmeter Teichfläche für sich alleine. So kann die Nahrung ständig nachwachsen.
GLOBAL 2000: In der biologischen Fischzucht dürfen keine konventionellen Düngemittel verwendet werden. Wofür werden Düngemittel in der Fischzucht überhaupt gebraucht?
Mössmer: Man verwendet sie nur bei der Karpfenzucht, weil da Naturnahrung eine große Rolle spielt. Das Naturfutter kann über Düngemittel stimuliert werden. In der konventionellen Karpfenzucht wurden früher schnell lösliches Phosphat oder Stickstoff propagiert. Aber man kommt heutzutage davon wieder ab. Bei uns sind Kompost, Stroh, Heu und Mist erlaubt. Die wirken viel nachhaltiger.
GLOBAL 2000: Warum sind Pestizide ein Thema in der Fischzucht?
Mössmer: Früher wurden Herbizide eingesetzt, weil die Teiche durch die starke Düngung zugewachsen sind. Es kann passieren, dass die Wasserpflanzen sich so stark vermehren, dass die Karpfen nicht mehr durchschwimmen können. Das kann man durch andere Maßnahmen heute besser lösen. Die Zeiten, wo Herbizide bedenkenlos eingesetzt wurden, sind nun auch in der konventionellen Fischzucht vorbei.
GLOBAL 2000: Welche Fische eignen sich prinzipiell für die Bio-Fischzucht?
Mössmer: In Österreich haben wir im stehenden Warmwasser neben dem Karpfen Schleie, Wels, Hecht und Zander. Im frischen, kalten Wasser züchten wir Forellenarten wie Bachforelle, Regenbogenforelle, Saibling, Bachsaibling. Aber viele Fische auf dem Fischmarkt können heute noch gar nicht in der Zucht produziert werden. Man versucht gerade, Thunfisch zu züchten. Junge Thunfische werden in der Wildnis gefangen und in den Käfig gesperrt. Dort werden sie mit massenhaft frischen Fischen gefüttert. Man fängt quasi die letzten Jungfischbestände aus den Meeren, um sie kontrolliert großzuziehen.
GLOBAL 2000: Gibt es Bestrebungen, Meeresfische auch biologisch zu züchten?
Mössmer: Es gibt schon eine große Anzahl von Farmen, die auf Bio-Fischzucht umgestellt haben, vor allem bei Lachs. Der wird hauptsächlich in Irland, Schottland, England und Norwegen gezüchtet. Alle diese Länder produzieren Bio-Lachs in riesigen Mengen. Es gibt Pangasiusfische aus dem Vietnam. Bio-Shrimpsfarmen auf den Philippinen, Red Drum in Israel … Allerdings sind die Mengen oft nicht so groß, dass sie überall erhältlich wären, vor allem nicht frisch. Viele Produkte werden deshalb gefroren vermarktet.
GLOBAL 2000: Sushi ist auch in Österreich sehr beliebt. Könnte man die bedrohten Fischarten wie den roten Thunfisch beim Sushi auch durch andere Fische ersetzen?
Mössmer: Im Prinzip ist jeder Fisch geeignet. Für Sushi eignen sich vor allem Fettfische, weil die sehr viel Geschmack mitbringen. Man kann aber auch Karpfen, Wels oder Lachsforelle verwenden. Es ist also durchaus möglich, auch mit inländischen Fischen Sushi zu machen, man muss sich einfach ein bisschen mit dem Rezept spielen. Auch Hering und Makrele sind kein Problem. Schwertfisch und Thunfisch sollte man vermeiden. Die enthalten außerdem extreme Quecksilberkonzentrationen, weil sie Raubfische sind und an der Spitze der Nahrungskette stehen und so massiv Umweltgifte anreichern.
GLOBAL 2000: In der neuen Ernährungspyramide für Österreich wird empfohlen, dass man ein bis zweimal in der Woche Fisch essen soll. Besonders empfohlen werden fettreiche Meeresfische wie Lachs, Makrele, Thunfisch und Hering. Zwei dieser Fischarten sind bedroht. Wie stehen Sie persönlich zu solchen Empfehlungen?
Mössmer: Das Problem ist: Je mehr Raubfische wir essen, umso mehr reduzieren wir die Fischbestände der Weltmeere. Hering und Makrele, die sich vom Plankton ernähren, kann man eher empfehlen als Lachs oder Thunfisch. Würden aber alle Menschen weltweit diese Empfehlungen einhalten, wären einfach nicht genügend Fische da. Die Fische sind besonders reich an Omega-3-Fettsäuren. Die kommen aber eigentlich aus den Algen und dem Plankton, das die Fische fressen. Man kann sich also durchaus andere Quellen der Omega-3-Versorgung suchen. Die Aufnahme über den Fisch ist ein Umweg.
GLOBAL 2000: Gibt es Ihrer Meinung nach einen Ausweg aus der dramatischen Situation, dass viele Fischbestände schon vom Aussterben bedroht sind?
Mössmer: Es gibt Vorschläge, Meeresregionen festzulegen, wo keine Fischerei stattfinden darf. Dort soll es einen gesunden Fischbestand geben, von wo aus sich die übrige Meerespopulation wieder befruchten kann. Aber das größere Problem ist ein politisches. Küstenzonen müssen stärker kontrolliert werden. Und es muss durchgehend zertifiziert werden, um die nachhaltige Fischerei zu überprüfen. Es gibt schon einige Organisationen wie den Marine Stewardship Councilexternal link, opens in a new tab oder Friends of the Seaexternal link, opens in a new tab, die sich für den Schutz der Meeresfische einsetzen. Wir sind da erst ganz am Anfang. Zurzeit werden die Fangflotten noch mit satellitengestützter Fischerkennung von Fischschwärmen aufgerüstet, um noch einmal einen Fischfang zu ermöglichen. Aber wenn die Fischer nichts mehr nach Hause bringen, dann ist es einfach aus.
GLOBAL 2000: Machen wir die weite Reise wieder zurück nach Österreich. Wo kann man denn bei uns Biofisch bekommen?
Mössmer: In Graz, Wien, Wels und Salzburg gibt es Fischzüchter, die ihre Fische auch auf den Märkten anbieten. Aber es ist schwierig, flächendeckend ein Gesamtangebot auf die Beine zu stellen. Seit ein oder zwei Jahren gibt es in der Saison in einzelnen Supermärkten Biofisch im Angebot. Aber es sind immer nur Schwerpunktaktionen, weil die Menge insgesamt nicht da ist. Man sollte aber auf jeden Fall immer nachfragen, wo der Fisch herkommt. Es ist nicht sinnvoll, einen Saibling aus Island oder aus Irland zu kaufen, wo er doch hier in Österreich erzeugt werden kann. Es lohnt sich, die heimische Bio-Fischzucht zu unterstützen.