14.03.2022

Neue Gentechnik: Echter Klimaschutz sieht anders aus!

Langanhaltende Dürreperioden, extreme Hitze, Starkregen und Überschwemmungen. Die Landwirtschaft steht mit der Klimakrise vor gewaltigen Herausforderungen. Die dramatischen Folgen des Klimawandels bekommen die Bäuerinnen und Bauern direkt am Feld zu spüren. Die Hoffnung in die Neue Gentechnik (NGT) lässt die Komplexität der Klimakrise außer Acht. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, gehören chemisch-synthetische Dünger und Pestizide in der Landwirtschaft unverzüglich reduziert. Dabei helfen sollen ‒ den Entwicklern und Profiteuren der NGT zufolge ‒ deren Technologien wie CRISPR/Cas, die sie gerne als „Alleskönner“ verkaufen. Ob das die Neue Gentechnik (NGT) aber tatsächlich leisten kann?

Comeback der alten Versprechen

Schon die Klassische Gentechnik hat uns versprochen, den Welthunger zu stillen. Doch wie sich herausgestellt hat, war das nichts als ein leeres Versprechen. Die Annahme, dass wir gentechnisch verändertes (GV-)Saatgut brauchen, um mehr Erträge zu erzielen, hält einer umfassenden Prüfung durch die Wissenschaftler:innen des Weltagrarberichts (IAASTD)external link, opens in a new tab nicht stand. Im Kampf gegen den Hunger sind hochgezüchtete und dadurch empfindliche GV-Pflanzen nicht geeignet. Sie orientieren sich auch nicht an den regionalen Bedürfnissen oder kleinbäuerlichen Strukturen ärmerer Länder, sondern fördern eine industrielle Landwirtschaft. Rein rechnerisch erzeugt die globale Landwirtschaft bereits jetzt ausreichend Nahrungsmittelexternal link, opens in a new tab, um alle Menschen zu ernähren. Trotz steigender Produktion erreichen die Lebensmittel jedoch nicht die Teller der ärmsten Menschen. Das liegt an der ungerechten Verteilung und dem verfehlten Einsatz der Lebensmittel. So dient ein Großteil des angebauten Sojas der Herstellung von Futtermitteln für die Massentierhaltung. Hunger ist das Ergebnis gesellschaftlicher und politischer Missstände und kann kaum durch neue Technologien beseitigt werden.

Schon seit über 20 Jahren werben Chemie- und Saatgut-Konzerne damit, dass ihre Produkte zu einem geringeren Einsatz von Pestiziden beitragen würden – bei der Neuen Gentechnik (NGT) ist das nicht anders. So sollen NGT-Verfahren wie CRISPR/Cas dabei helfen, die Ziele des Europäischen Green Deal zu erreichen und die Rettung für die Klimakrise darstellen. Ein Blick in die Entwicklungspipeline der Unternehmen zeigt jedoch, dass man bei den geplanten NGT-Pflanzen großteils auf Eigenschaften wie „Herbizidresistenzen“ setzt. Das Versprechen, durch die NGT die Menge der eingesetzten Pestizide reduzieren zu können, lässt sich damit kaum erfüllen. Denn schon bei der Klassischen Gentechnik hat sich gezeigt, dass sich die Natur anpasst und immer mehr Unkräuter Resistenzen bildeten. Der Herbizideinsatz vervielfachte sich auf den Gentechnik-Feldern und machte mittelfristig einen ganzen Pestizid-Cocktail notwendig. Eine aktuelle Studie der Universität Koblenz-Landauexternal link, opens in a new tab, die in der US-Fachzeitschrift Science erschien, bestätigt, dass bei GV-Sojasorten über die Jahre die Herbizidmengen stiegen.

Die EU-Kommission hat mit der Farm-to-Fork-Strategie der Landwirtschaft die Unterstützung bei der Klimaanpassung zugesagt. Die Chemie- und Saatgut-Industrie nutzt dies nun dafür, das aktuell geltende EU-Gentechnikrecht auszuhebeln. So sollen vermeintlich "klimafitte" NGT-Pflanzen dabei helfen, die umfassende Risikoprüfung, lückenlose Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnungspflicht abzublocken. Dabei verlangen gerade die neuen, tiefgreifenden Veränderungen in der DNA der Pflanzen ein Festhalten an der bestehenden Regulierung durch das bestehende EU-Gentechnikrecht. Die von der Chemie- und Saatgut-Industrie versprochenen "klimafitten" NGT-Pflanzen erweisen sich als taktische Versprechenexternal link, opens in a new tab und hypothetische Lösungen.

 

toter Boden

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Keine Spur von „klimafitten“ Pflanzen aus Neuer Gentechnik

Die Chemie- und Saatgut-Industrie will uns suggerieren, dass „klimafitte“ Sorten unmittelbar vor der Marktreife stünden. Sie wollen NGT-Pflanzen entwickeln, die angeblich besser mit Trockenheit zurechtkommen und robuster gegen Krankheiten und Schädlinge sind – und das natürlich viel schneller als mit konventionellen Pflanzenzüchtungs-Methoden. Das Problem ist, dass die Konzerne die Komplexität von Pflanzen im Zusammenspiel mit ihrer Umwelt noch nicht wirklich nachvollziehen können. Stressbedingungen (Hitze, Dürre, Schädlinge etc.) können in Kombination auftreten. Es gibt nicht das eine „Stressgen“ in einer Pflanze oder die eine genetische Eigenschaft „Hitzeresistenz“, die in eine Pflanze eingebaut werden kann. Daher werden Verfahren wie CRISPR/Cas bislang vorwiegend in der Grundlagenforschung eingesetzt. Hier wird zunächst die Regulation von Genen untersucht, die unter bestimmten Stressbedingungen an der Reaktion von Pflanzen beteiligt sind.

Die Zahlen des Joint Research Centre (JRC)external link, opens in a new tab der EU zeigen die Dominanz von Herbizidtoleranz bei NGT-Pflanzen. Im vorkommerziellen Stadium ist die größte Merkmalsgruppe – sechs von 16 NGT-Pflanzen – herbizidtolerant. Zwei von sechszehn NGT-Pflanzen werden mit einer verbesserten Toleranz gegen biotischen Stress (Stress durch lebende Organismen wie Schädlinge und Pilzkrankheiten) erzeugt. Dagegen befindet sich keine einzige genomeditierte Pflanze, die besonders gut mit abiotischen Stressfaktoren (Hitze, Dürre, Frost) umgehen kann, in Entwicklung. Das bestätigen auch die Untersuchungen von Dr. Katharina Kawall von der Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU)external link, opens in a new tab in München.

Forschungsvorhaben der NGT basieren meist auf stark vereinfachten Modellen und standardisierten Laborbedingungen. Die Gegebenheiten und äußeren Einwirkungen auf Pflanzen in der freien Natur, wie etwa die Unberechenbarkeit des Wetters, werden dabei nicht berücksichtigt. Wie sich NGT-Pflanzen tatsächlich verhalten, muss erst in Langzeitstudien und unter unterschiedlichen Stressbedingungen überprüft werden. Dabei sollte auch untersucht werden, wie sie sich auf andere Organismen im Ökosystem auswirken.

Systemischer Umbau der Landwirtschaft gefordert

So verführerisch die Versprechungen sein mögen: Es gibt keine einfachen Lösungen. Statt inputintensiver Gentech-Pflanzen, deren ökologische Risiken unklar sind, brauchen wir den agrarökologischen Umbau für die Landwirtschaft.

Die Landwirtschaft muss sich an die bereits spürbaren Effekte der Klimakrise anpassen und braucht hierfür auf EU-Ebene Unterstützung. Statt auf „klimasmarte“ Superpflanzen zu hoffen, sollten wesentlich mehr Mittel in eine praxisnahe, gemeinwohlorientierte (partizipative) Forschung mit Bauern und Bäuerinnen im Bereich der gentechnikfreien konventionellen und biologischen Pflanzenzüchtung fließen. Gleichzeitig braucht es eine bessere Bodenpflege, Sortenvielfalt, um Ernteausfälle zu streuen, mehr regionale und biologische Lebensmittelerzeugung und nicht zuletzt eine Reduktion der Massentierhaltung. Die Zukunft liegt in einer vielfältigen Landwirtschaft und selbstbestimmten Ernährung, die Hand in Hand mit echtem Klima- und Umweltschutz geht.

Lesen Sie mehr dazu in unserem gemeinsamen Bericht mit BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland).

Damit die Ökologisierung der Landwirtschaft möglich ist, muss Neue Gentechnik auch weiterhin unter dem bestehenden EU-Gentechnikrecht für Landwirtschaft und Lebensmittel geregelt werden. Deshalb haben wir die Petition "Pickerl drauf! Neue Gentechnik im Essen kennzeichnen." gestartet. Sie können noch heute unterschreiben und mit uns gemeinsam eine strenge Regulierung und Kennzeichnungspflicht von Neuer Gentechnik im Essen fordern:

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