20.04.2010

Uhrig: Sorgfältige UVP für Wasserkraftprojekte

Reinhard Uhrig, Anti-Atom und Energie-Campaigner von GLOBAL 2000, spricht im Interview über die verschiedenen Typen von Wasserkraftwerken, die Notwendigkeit von sorgfältigen Umweltverträglichkeitsprüfungen für Wasserkraftwerksneubauten, über Greenwashing und die Zukunft der Wasserkraft.

Wasserkraftwerk
Michael Glanznig

GLOBAL 2000: Herr Uhrig, können Sie uns beschreiben, wie die Technik der Wasserkraft funktioniert?

Uhrig: Die Wasserkraft nutzt die Bewegungsenergie des Wassers. Diese wird über eine Turbine und einen Generator in elektrische Energie umgesetzt. Damit handelt es sich um einen Erneuerbaren Energieträger, der kohlendioxidfreie Energie erzeugt.

Es gibt zwei verschiedene Typen von Wasserkraftwerken: Laufkraftwerke und Speicherkraftwerke. Ein Laufkraftwerk funktioniert im Prinzip wie ein Mühlrad, das in einem fließenden Gewässer hängt und durch die Drehung elektrische Energie erzeugt. Dadurch, dass es in einem fließenden Gewässer platziert ist, liefert das Laufkraftwerk kontinuierlich Strom. Wohingegen das Speicherkraftwerk meistens dazu eingesetzt wird, sogenannten Spitzenstrom zu erzeugen. Das funktioniert so: Speicherwasser wird mehrere Stunden bis mehrere Monate gesammelt - meist in großen Speicherseen im Gebirge - und dann zu Zeiten von sehr hohem Strombedarf ganz gezielt über bis zu mehreren hundert Metern hohen Fallrohren abgelassen. Dabei werden sehr große Strommengen erzeugt, jedoch nicht langfristig.

Eine Sonderform des Speicherkraftwerks ist das Pumpspeicherkraftwerk. Es wird für die Zukunft der Energieversorgung mit Erneuerbaren Energien besonders wichtig werden, zum Beispiel in Zusammenhang mit Windkraftwerken in der Nordsee. Da man elektrische Energie an sich nicht speichern kann - außer mit einem Akku, was sehr aufwändig und auch nicht umweltfreundlich ist -, sind Pumpspeicherkraftwerken eine gute Alternative. Überschüssige Energie kann so gespeichert werden. Diese überschüssige Energie wird dazu benutzt, eine Pumpe zu aktivieren, die das Wasser in den Speichersee hinauf pumpt. Bei Bedarf wird dieses Wasser wieder abgelassen und es kann Strom erzeugt werden.

GLOBAL 2000: Welche Probleme können einerseits bei der Realisierung eines Wasserkraft-Projekts, andererseits bei der Umsetzung auftreten?

Uhrig: Ein grundsätzliches Problem, das bei Großwasserkraftwerken auftritt, ist, dass eine große Fläche aufgestaut werden muss. Siedlungs- und Naturraum werden dabei überflutet und somit zerstört. Menschen werden umgesiedelt. Wenn die Vegetation nicht gerodet wird, können Faulgase entstehen. Faulgase könnten auch die Klimabilanz von solchen Kraftwerken massiv belasten. Daher tritt GLOBAL 2000 sehr stark für eine sorgfältige Umweltverträglichkeitsprüfung von Kraftwerksprojekten ein. GLOBAL 2000 ist historisch mit der Hainburg-Bewegung groß geworden, welche die wertvolle Aulandschaft vor einem solchen Großwasserkraftwerksprojekt gerettet hat.

Wir sind sehr froh über die große Menge an Wasserkraftwerken in Österreich. Beim Ausbau von weiteren Kraftwerken ist jedoch Vorsicht geboten.

GLOBAL 2000: Wo und inwieweit wird Wasserkraft in Österreich genutzt?

Uhrig: Weltweit produziert diese Energieform heute bereits um die zwanzig Prozent des Strombedarfs. Das ist deutlich mehr als beispielsweise Atomkraft bereitstellt. Österreich hat nicht zuletzt wegen der Wasserkraftwerke einen sehr hohen Anteil an Erneuerbaren Energieträgern. Ein paar Zahlen dazu: 2008 wurden 38.800 Gigawattstunden, d.h. 38 Millionen Kilowattstunden, erzeugt. Das sind 44,8 Prozent des gesamten Stromverbrauchs im Land. Neben Norwegen und der Schweiz verfügt Österreich über den höchsten Anteil an Wasserkraft in Europa.

Wasserkraftwerk

Michael Glanznig

GLOBAL 2000: In Tirol wurde einst Atomstrom in Kombination mit Erneuerbaren Energiequellen eingesetzt, um mehr Profit zu erwirtschaften.

Uhrig: Das ist kein Einzelfall. Leider betreiben viele der Energieversorger, die Pumpspeicherkraftwerke haben, diese Form der Grünfärberei. Sie haben langfristige Lieferverträge mit den Atomstomanbietern aus Deutschland und pumpen in der Nacht mit dem Atomstrom das Wasser hinauf und verwenden tagsüber bei Spitzenbedarf das Wasser, um Grünstrom zu erzeugen. Das heißt, es wird knallhart Greenwashing betrieben.

GLOBAL 2000 setzt sich für eine umfangreiche Stromkennzeichnung ein, die herrschende Schlupflöcher schließen soll. Momentan muss die an den Endverbraucher abgegebene Strommenge gekennzeichnet werden, aber nicht die gesamte verwendete und gelieferte Strommenge. Wir setzen uns dafür ein, dass die gesamte Strombilanz, die ein Versorger verwendet und liefert, ausgewiesen werden muss, um Greenwashing zu vereiteln. Es gibt jedoch schon Anbieter, die ganz gezielt auf jeden Handel mit Atomstrom verzichten und von unabhängigen Stellen zertifiziert werden. In Österreich sind das die Alpen Adria Energie, die Ökostrom AG und im Burgenland die Bewag.

GLOBAL 2000: Die Gletscherschmelze ist bereits in vollem Gange - hat Wasserkraft bei solch einem Szenario denn Zukunft?

Uhrig: Durch den Klimawandel ist der Rückgang der Alpengletscher ein Riesenproblem. Für die Wasserkrafterzeugung der kommenden 20 bis 40 Jahre zwar noch nicht, weil durch das Abschmelzen der Gletscher, insbesondere im Sommer, zunächst einmal mehr Wasser zur Verfügung steht. Aber wenn die Gletscher verschwunden sind ist das endgültig - ein bitteres Erbe für die nächsten Generationen. Insbesondere die Laufkraftwerke werden hoffentlich auch in Zukunft noch ein deutliches Potential haben. Sie müssen ausgebaut oder durch modernere Anlagen, die eine deutliche Effizienzsteigerung bringen, ersetzt werden. Die Effizienzpotentiale im Strombereich sind allgemein sehr groß. GLOBAL 2000 setzt sich einerseits für den Ausbau von Erneuerbaren Energieträgern - insbesondere von Windkraft und Solarenergie - ein und andererseits für mehr Energieeffizienz. Es gibt Studien, die zeigen, dass durch wirklich "schmerzlose" Einsparungen in der Sachgüterproduktion, bei Haushaltsgeräten und durch das Vermeiden von Standby-Verlusten 30 Prozent der heutigen Stromaufbringung ohne Komfortverlust eingespart werden können.

(Von Clea Regner)