18.10.2023

Schutz für Naturwälder - Wir kämpfen vor Gericht

Tonnenschwere Maschinen rollen über den weichen Waldboden, Motorsägen dröhnen durchs Kamptal. Das Europaschutzgebiet wird trotz Ausweisung als Natura 2000-Gebiet regelmäßig Schauplatz von Schlägerungen. Die Behörden schauen tatenlos zu. GLOBAL 2000 wurde deshalb bereits letztes Jahr in Niederösterreich aktiv. Mittlerweile sind wir vor dem Gang zum Bundesverwaltungsgericht angelangt.

Bereits letztes Jahr hat GLOBAL 2000 großflächige Abholzungen in Niederösterreich aufgedeckt. Im Kamptal wurden prioritär geschützte Schlucht- und Hangwälder abgeholzt. Auch Biotopbäume für streng geschützte Käferarten und Horstbäume für Seeadler sind verschwunden. Im Yspertal wurden in den vergangenen Jahren mehr als 23 Hektar unter Schutz stehender Mullbraunerde-Buchenwald vernichtet. 

GLOBAL 2000 geht vors Gericht

Anfang 2023 hat GLOBAL 2000 rechtliche Schritte gegen die Vernichtung unserer letzten Naturwälder eingeleitet. Wir haben uns mit dem ÖKOBÜRO und der Anwaltskanzlei von Michaela Krömer kompetente juristische Unterstützung geholt. Gemeinsam haben wir bei den zuständigen Bezirkshaupmannschaften Krems (Kamptal) und Melk (Yspertal) Anträge auf Naturverträglichkeitsprüfungen (NVP) und auf einen sofortigen Abholzungsstopp bis zur Prüfung der Angelegenheit gestellt. 

Die Anträge wurden jedoch zurückgewiesen. Deshalb haben wir im Frühling gegen diese Ablehnung Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingebracht. Letzteres hat jedoch bereits die sechsmonatige Frist für eine Entscheidung verstreichen lassen. Es gibt daher noch immer kein Ergebnis.

Nächster Schritt: Bundesverwaltungsgericht

Wenn es zu keiner Entscheidung vor dem Landesgericht kommt, gehen wir weiter vor das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht ist in diesem Fall die höchste Instanz. Es geht immerhin um eine Grundsatzentscheidung für den Schutz der letzten Naturwälder Österreichs ‒ für uns alle. 

3 Fragen zur rechtlichen Lage:

Dürfen Natura 2000-Gebiete geschlägert werden?

Natura 2000 Wälder dürfen grundsätzlich bewirtschaftet werden, allerdings nur im Einklang mit den Schutzzielen. Und das muss über NVPs sichergestellt werden. Doch was bringt dieser offizielle Schutz, wenn vor den Augen der Behörden regelmäßig alte Naturwälder, teilweise sogar mit Urwaldcharakter, unkontrolliert geschlägert werden. 

Wir haben mehrere solcher Fällungen aufgedeckt und zu keiner gab es eine NVP, oder auch nur eine Vorprüfung. Dabei reicht bereits der Verdacht auf eine erhebliche Beeinträchtigung aus, um eine solche Prüfung auszulösen. Mehrere unabhängige ökologische Gutachten kamen einstimmig zu dem Schluss, dass sowohl im Kamptal als auch im Yspertal eindeutige Umweltschäden entstanden sind. 

Diese Verluste liegen weit über Bagatellgrenzen hinaus. Wir haben diese Schäden dokumentiert und gemeinsam mit den Gutachten den Behörden sowie der Landesregierung zukommen lassen. 

Wer kann eine NVP beantragen?

In Niederösterreich können die Bewirtschafter selbst oder die Umweltanwaltschaft eine NVP beantragen. Umwelt- und Naturschutzorganisationen haben kein Recht dazu. Das steht eindeutig im Widerspruch zur Aarhus-Konvention, die eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit in Umweltbelangen vorsieht.

Sind auch andere Naturwälder betroffen?

Über Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) konnten wir herausfinden, dass in der Vergangenheit noch viele weitere Wälder der beiden Schutzgebiete von ungeprüften Schlägerungen betroffen waren. Und wurden in seltenen Einzelfällen doch naturschutzfachliche (Vor-)Prüfungen durchgeführt, dann war in der Regel der Forstsachverständige auch gleichzeitig für die Naturschutzprüfung zuständig. Hier braucht es eine klare personelle Trennung der Verantwortlichkeiten, denn so sind Interessenskonflikte vorprogrammiert.

Naturwald: wichtiges Ökosystem & Lebensraum

Naturjuwele wie das Kamptal und das Yspertal in Niederösterreich wurden aus guten Gründen zu Schutzgebieten von europäischer Bedeutung erklärt und sind Teil des Natura 2000 Netzwerkes. 

Strukturreiche Naturwälder benötigen Zeit, um sich zu entwickeln. Erst wenn ein Wald ein stattliches Alter von deutlich über 100 Jahren erreicht, entfaltet er seine volle Vielfalt und damit auch sein ganzes Potential in Sachen Ökosystemleistungen. 

In alten Wäldern sind große Mengen Kohlenstoff eingelagert, die je nach Baumartenzusammensetzung für hunderte Jahre gebunden bleiben. Damit ist weniger CO2 in der Atmosphäre und das trägt zum Klimaschutz bei.

Alte Wälder regulieren den Wasserhaushalt. Sie speichern große Regenwassermengen und kommen mit Trockenphasen besser zurecht als junge, monotone, stark durchlichtete, oder gar kahl geschlagene Flächen. Intakte und unverdichtete Waldböden haben eine hohe Filterwirkung und sorgen für neues Grundwasser und sauberes Trinkwasser.

Ungestörte Wälder weisen auch eine besondere Artenvielfalt auf. Ausladende Baumkronen bieten großen Vögeln wie Störchen oder Adlern ausreichend Platz für ihren Horst. Astlöcher und Baumhöhlen werden von Fledermäusen, Eulen oder Spechten besiedelt und der Nachwuchs von Hirschkäfer oder Alpenbock könnte ohne Alt- und Totholz nicht überleben.  

Das Land Niederösterreich ist in der Pflicht, seine Natura 2000-Wälder zu schützen

Dafür braucht es:

  • flächenscharfe Kartierung der Natura 2000-Schutzgüter
  • Managementpläne mit konkreten Zielen und Maßnahmen
  • eine sorgfältige Prüfung von Notwendigen NVPs
  • eine klare Trennung von Forst- und Naturschutzpersonalien 
  • eine massive Aufstockung des Naturschutzbudgets der Bundesländer

Der Wald braucht Sie!

Umweltschutz braucht einen langen Atem. Wir versprechen Ihnen, nicht aufzugeben und dranzubleiben. Doch Gerichtsverfahren wie diese kosten uns etwa 12.000€, daher brauchen wir dringend Ihre Hilfe. Bitte unterstützen Sie uns mit einer Spende zum Schutz der heimischen Naturwälder. Danke!

Minimum € 5

Bewahren wir unseren Naturwald