Der Glyphosat-Bewertungsbericht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist ein Plagiat. Große Teile des Berichts wurden wörtlich vom Hersteller Monsanto abgeschrieben.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat nach Einschätzung eines Plagiatsprüfers für seinen Glyphosat-Bericht zur Gesundheitsgefahr des Pestizids wesentliche Angaben von Chemiekonzernen übernommen.
Es sei „offensichtlich, dass das BfR keine eigenständige Bewertung der zitierten Studien vorgenommen hat“, sagt Dr. Stefan Weber, der im Auftrag von GLOBAL 2000 ein Plagiatsgutachten erstellt hat. Über „zahlreiche Seiten hinweg“ seien Textpassagen „praktisch wörtlich übernommen“ worden.
Der Bewertungsbericht des BfR und damit die wissenschaftliche Grundlage für die von der EU-Kommission vorgeschlagene Zulassungsverlängerung von Glyphosat erfülle in wesentlichen Teilen die „Kriterien eines Textplagiats“. Und: Das systematische Unterlassen von Quellenangaben und das gezielte Entfernen von Hinweisen auf die tatsächlichen Verfasser lasse sich „nur als bewusste Verschleierung ihrer Herkunft deuten“.
Für GLOBAL 2000 hat Gutachter Stefan Weber drei ausgewählte Kapitel des BfR-Berichts zu den gesundheitlichen Risiken von Glyphosat mit entsprechenden Passagen aus dem Zulassungsantrag der Glyphosat-Hersteller verglichen (mehr dazu unten). Der Zulassungsantrag stammt von der „Glyphosat Task Force“ (GTF), in der sich die Glyphosat-Hersteller zusammengeschlossen haben und die von Monsanto angeführt wird.
Wie aus der folgenden Abildung erichtlich ist, wurde das Kapitel zur Genotoxizität, also zur erbgutschädigenden Wirkung von Glyphosat, fast vollständig wortwörtlich übernommen. Rot markiert sind alle Passagen dieses Kapitels, die identisch mit dem Zulassungsantrag der GTF sind:
Erklärung:
- Die rot markierten Textteile machen rund 94 % des Gesamttextes aus und finden sich im gleichen Wortlaut auch im Zulassungsantrags der Glyposate Task Force.
- Die gelb markierten Textteile machen rund 4 % des Gesamttextes aus. Hier stammen die Farbmarkierung vom BfR selbst und machen kenntlich, dass die so markierten Texte erst am 29. Januar 2015 infolge der Überarbeitung des Berichtsentwurfs dazukamen. Es handelt sich dabei um Studien die später publiziert bzw. eingereicht wurden und daher im Zulassungsantrag nicht enthalten waren.
- Bei den weißen, unmarkierten Textstellen (2 %) handelt es sich fast ausnahmslos um Referenznummern für die von der GTF bewerteten Studien bzw. um Nummerierungen von Überschriften und Tabellen.
Bewertung der Glyphosat-Hersteller übernommen und Quellen verschleiert
Brisant ist, dass das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das im Auftrag der EU-Kommission die Gefahrenbewertung von Glyphosat durchgeführt hat, insbesondere auch die Bewertung von unabhängigen, kritischen Studien wortwörtlich übernommen hat. Die Mehrzahl der in diesen Kapiteln bewerteten unabhängigen Studien kamen nämlich zu dem Ergebnis, dass Glyphosat die DNA schädigen, Krebs erzeugen oder Missbildungen verursachen könne. Doch die Hersteller werteten diese Studien meist als „nicht zuverlässig“ („not reliable“) oder „nicht relevant“ („not relevant“). Das BfR übernahm diese Bewertungen nicht nur, sondern verschleierte auch, dass es sich dabei in Wirklichkeit um die Bewertungen der GTF bzw. von Monsanto handelt. Denn Hinweise auf die tatsächliche Autorenschaft wurden entfernt. Unten z.B. ein Ausschnitt aus dem Kapitel "Carcinogenicity" (zur krebserregenden Wirkung von Glyphosat) - wo das BFR mit "additional comments" verschleiert, dass diese Bewertung aus der Feder von Monsanto stammt (im Bild gelb markiert).
Die Behörde dementiert
In der Vergangenheit hatten die EU-Behörden zur Verteidigung ihres Persilscheins für Glyphosat stets behauptet, sie hätte über tausend Studien aus der wissenschaftlichen Literatur und von den Herstellern überprüft und bewertet. Auch das deutsche Landwirtschaftsministerium, welches die Letztverantwortung trägt, hatte mehrfach auf Anfragen der deutschen Grünen behauptet, sämtliche Bewertungen im Bericht der Behörde würden „aus der Feder von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BfR" stammen. Eine Behauptung, die sich nun als Falschinformation herausstellte.
Am 20.09.2017 veröffentliche das BfR eine Stellungnahe zu den Plagiatsvorwürfenexternal link, opens in a new tab. Darin streitet das BfR zwar weiterhin die Plagiatsvorwürfe ab, räumt aber erstmals ein, in ihrem Bewertungsbericht die Zusammenfassungen und Interpretationen der Antragsteller “nicht umgeschrieben“ zu haben, sofern die Behörde inhaltlich mit diesen übereinstimmte. Zitat BfR: „Wenn die Antragsteller Studien korrekt zitieren oder in entsprechenden Zusammenfassungen wissenschaftlich und methodisch korrekt interpretieren, hatten die europäischen Bewertungsbehörden in der Vergangenheit keinen Grund (...) derartige Aussagen umzuschreiben.“ Der Gutachter Stefan Weber erklärt in seinem Plagiatsgutachten weshalb diese Argumentation nicht belastbar ist.
Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit versucht, die Copy-Paste-Praxis zu rechtfertigen: Am 11. Oktober erklärte der Leiter der Pestizidabteilung bei der EFSA-, Jose Tarazona, gegenüber dem Europaparlament, die Plagiatsworwürfe kämen von Menschen, die das Zulassungssytem nicht verstehen. Die Behörde hätte die Bewertungen und Schlussfolgerungen der Antragsteller nicht nur einfach kopiert, sondern diese sehr wohl geprüft und in Kursivschrift kommentiert. Um dies zu untermauern, verwies der EFSA-Vertreter im EU-Parlamentariern auf zwei Beispiele. Allerdings stammten die aus Kapiteln, die nicht unter Plagiatsverdacht standen.
Hätte das BfR nicht blind die Bewertung der unabhängigen Studien durch Monsanto & Co. als „nicht zuverlässig“ übernommen, hätte das Ergebnis des BfR-Bewertungsberichts wohl anders ausfallen müssen. Denn die Mehrzahl unabhängiger Studien berichtet DNA-schädigende, krebserregende bzw. fruchtschädigende Effekte. Die Studien der Hersteller (die als Geschäftsgeheimnis gelten und nie veröffentlicht wurden) stellen hingegen keine Gesundheitsgefahren fest:
Glyphosat-Plagiatsskandal muss Konsequenzen haben
Wenn eine Kontrollbehörde all ihre Argumente auf Punkt und Beistrich von Monsanto abschreibt, ist es kein Wunder, wenn diese Behörde zu den gleichen Schlussfolgerungen kommt wie Monsanto. Und genau das ist auch passiert: Die EU-Behörde behauptet mit den Argumenten von Monsanto, dass Glyphosat weder krebserregend noch DNA-schädigend sei. Also das genaue Gegenteil von dem, was die WHO sagt.
All das verlangt nach politischen und rechtlichen Konsequenzen. Denn bei dieser Täuschung von Politik und Öffentlichkeit geht es um nicht weniger als eine europäische Pestizidzulassung, die die Gesundheit von 500 Millionen Menschen in Europa einem unverantwortlichen Risiko aussetzt.
Selbst nachschauen: Alle Dokumente zum Herunterladen
Hier finden Sie die auf Plagiatismus überprüften drei Kapitel – jeweils aus dem Zulassungsantrag der von Monsanto geführten „Glyphosat Task Force“ und vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Zudem finden Sie das Plasgiatsgutachten von Dr. Stefan Weber in deutscher und englischer Sprache.
Die Kapitel des BfR-Bewertungsberichts
1. Carcinogenicity (zur krebserzeugenden Wirkung von Glyphosat)
2. Genotoxicity (zur erbgutverändernden Wirkung von Glyphosat)
3. Reproductive Toxicity (zur fortpflanzungsschädigenden Wirkung von Glyphosat)
Im Text gibt es verschiedene Farbmarkierungen:
- rot – Text, der sich mit dem Zulassungsantrag der „Glyphosat Task Force“ (geführt von Monsanto) deckt.
- weiß (unmarkiert) – Text, der sich mit dem Zulassungsantrag der „Glyphosat Task Force“ nicht deckt
- gelb und türkis – Text, der vom BfR zu zwei späteren Zeitpunkten hinzugefügt wurde. Für diesen Text lässt sich derzeit nicht überprüfen, ob er vom BfR selbst verfasst oder übernommen wurde, weil die später von der Glyphosat Task Force nachgereichten Dokumente bisher nicht freigegeben wurden.
Die Teile des Zulassungsantrags, aus denen Text übernommen wurde
1. Carcinogenicity (zur krebserzeugenden Wirkung von Glyphosat)
2. Genotoxicity (zur erbgutverändernden Wirkung von Glyphosat)
3. Reproductive Toxicity (zur fortpflanzungsschädigenden Wirkung von Glyphosat)