27.09.2023

Strafanzeige gegen Bayer: Verschleierung von Glyphosat-Risiken für Schwangere

Gemeinsam mit PAN Europe (Pesticide Action Network Europe) haben wir am 27.9.2023 eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt. Wir zeigen darin auf, dass das vom Agrarkonzern Bayer angeführte Herstellerkonsortium – wie zuvor schon Monsanto – im aktuellen Antrag auf Wiederzulassung von Glyphosat unvorteilhafte Studien und Daten zu krebserregenden und neurotoxischen Effekten von Glyphosat nicht vorgelegt hat.

Gesundheitsrisiken für Schwangere und Kleinkinder

Die EU-Pestizidverordnung verlangt, dass Pestizidhersteller in ihrem Zulassungsantrag alle Studien über potenziell schädliche Effekte von Glyphosat vorlegen. Das betrifft sowohl Studien, die sie selbst beauftragt haben, als auch Studien aus der wissenschaftlichen Literatur. Doch im aktuellen Zulassungsantrag von Bayer fehlt die Mehrzahl der publizierten Studienexternal link, opens in a new tab, die auf schädigende Auswirkungen auf das Nervensystem (Neurotoxizität) durch Glyphosat – bei Schwangeren und Kleinkindern – hinweisen! Darunter eine Studieexternal link, opens in a new tab, die bei Kindern ein erhöhtes Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen fand, wenn ihre Mütter in der Schwangerschaft oder sie selbst im ersten Lebensjahr Glyphosat ausgesetzt waren. 

Besonders schwer wiegt der von zwei schwedischen Wissenschaftler:innenexternal link, opens in a new tab erhobene und von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigte Vorwurf, dass auch eine vom Agrarkonzern Syngenta beauftragte DNT-Studie zu Glyphosat den EU-Behörden vorenthalten wurde. Rattenbabys zeigten darin eine stark eingeschränkte Motorik, wenn ihre Mütter während der Schwangerschaft Glyphosat erhielten. Die Wissenschaftler:innen betonenexternal link, opens in a new tab dass die DNT-Studie von der US-Umweltbehörde (U.S. EPA) als ”akzeptabel für regulatorische Zwecke” eingestuft wurde, und die darin festgestellten schädlichen Effekte bei einer Dosis auftraten, die von den EU-Behörden derzeit als sicher eingestuft wird.

"Das Europäische Parlament hat sich offiziell dazu verpflichtet, die Rechte von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen zu schützen. Es obliegt nun der Europäischen Kommission, die Haltung des Europäischen Parlaments zu bekräftigen, indem sie Stoffe wie Glyphosat verbietet, die Studien zufolge das Autismusrisiko erhöhen können, möglicherweise aufgrund von Auswirkungen auf die Darmmikrobiota. Um unser Verständnis möglicher Zusammenhänge zu verbessern, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich. Bis diese weiteren Studien abgeschlossen sind, sollte das Vorsorgeprinzip die Maßnahmen in diesem Bereich leiten", fordert Dr. Giovanni Ghirga von der International Society of Doctors for Environmentexternal link, opens in a new tab (ISDE).

Ermittlungen gegen Bayer/Monsanto seit 2019

Seit vier Jahren ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen Monsanto und den Rechtsnachfolger Bayer. Den Anstoß dazu gab eine Sachverhaltsdarstellung, die am 17. Juli 2019 von Rechtsanwalt Josef Unterweger im Auftrag von GLOBAL 2000PAN Europeexternal link, opens in a new tabGénérations Futuresexternal link, opens in a new tab und PAN Germanyexternal link, opens in a new tab vorgelegt wurde. Darin beschreiben die Anzeigenden ausführlich den Verdacht, dass Monsanto im vergangenen Zulassungsverfahren unvorteilhafte Daten und Studienergebnisse teilweise falsch dargestellt oder entgegen ihren gesetzlichen Verpflichtungen gar nicht vorgelegt hat. So wurden Gesundheitsgefahren von Glyphosat verschleiert.

„Diese Vorgehensweise scheint sich im aktuellen Zulassungsverfahren zu wiederholen", so Unterweger. Als Beispiel verweist er auf interne E-Mails von Monsanto (siehe: Analyse Abschnitt 3.1.1, Seite 48ff), die zeigen, wie der Glyphosat-Hersteller 2002 eine Studie in Auftrag gab, um die deutschen Zulassungsbehörden davon zu überzeugen, dass ihre Annahme über die Aufnahme von Glyphosat über die Haut zu hoch sei. Als jedoch der Zwischenbericht dieser Studie einen noch deutlich höheren Wert für die dermale Aufnahme von Glyphosat ergab, als von den Behörden angenommen, brach Monsanto die Studie umgehend ab: Sie habe das Potenzial, die Roundup-Risikobewertungen in die Luft zu sprengen.

Neurotoxizität von Glyphosat bewusst verschleiert?

Foto von Helmut Burtscher-Schaden

"Auch die von Bayer nicht vorgelegte DNT-Studie hat erhebliches Potential, die Risikobewertung von Glyphosat in die Luft zu sprengen, da sie schädliche Effekte bei einer Dosis zeigt, die die Behörden derzeit für ‘sicher’ halten. Ihre späte Übermittlung stellte die EU-Behörden daher vor ein Dilemma: Erkennen sie die Studie als ‘akzeptabel für regulatorische Zwecke’ an, dann stellt sie ihre bisherige Bewertung auf den Kopf, mit einer erheblichen Reduzierung der gesundheitlichen Richtwerte für die akzeptable ernährungsbedingte und berufliche Glyphosat-Exposition.

Die Behörden entschieden sich jedoch für den Weg, der am wenigsten ihrem Auftrag, die menschliche Gesundheit zu schützen, entspricht: Sie erklärten die DNT-Studie für unzulässig und irrelevant - freilich ohne das schlüssig argumentieren zu können - und gaben grünes Licht für die Wiederzulassung."

Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei GLOBAL 2000

Somit droht am 12. Oktober 2023 eine Wiederzulassung von Glyphosat auf Basis einer fehlerhaften Risikobewertung.

Wir sind erfreut über das österreichische Nein zu Glyphosat und fordern alle anderen EU-Mitgliedstaaten auf, einer Wiederzulassung von Glyphosat ebenso eine Absage zu erteilen!

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