25.05.2023

NGO-Analyse enthüllt: Agrar-Lobbyisten täuschen mit Ernährungssicherheits-Argument

Im Frühjahr 2022 erkämpften Agrar-Lobbyisten und politische Verbündete das Aussetzen der Greening-Auflagen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Mit dem Argument, jeden verfügbaren Quadratmeter Boden für den Weizenanbau zu benötigen, um Hunger in Europa und der Welt zu verhindern, durften Brachflächen eingeackert werden. Eine aktuelle NGO-Analyse deckt nun auf, dass auf den dafür vorgesehenen Flächen hauptsächlich Tierfutter wie Mais, Soja und Sonnenblumen angebaut wurden.

In Österreich allein könnten 45 Millionen Brote gebacken werden, wenn die "ökologischen Vorrangflächen" (auch Brachflächen) der GAP für die Lebensmittelproduktion genutzt würden. Dieses Vorhaben könnte einen Beitrag zur Ernährungssicherheit in Europa und der Welt leisten. Dies behauptete die österreichische EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer (EVP) angesichts steigender Getreidepreise nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine. Viele weitere Entscheidungsträger:innen, hauptsächlich konservative, sowohl im Europaparlament als auch in den Mitgliedstaaten, argumentierten ähnlich. 

Kritik von Wissenschaftler:innen

Wissenschaftler:innen kritisieren dieses Vorgehen. Sie warnen vor langfristigen negativen Auswirkungen auf die europäische Landwirtschaft durch den Rückgang der Artenvielfalt und die Beeinträchtigung der Ökosystemleistungen. Nach Ansicht der Wissenschaftler:innen wäre es sinnvoller und im Einklang mit der "Farm-to-Fork-Strategie", die vorhandene landwirtschaftliche Fläche verstärkt für die Lebensmittelproduktion zu nutzen und gleichzeitig die Subventionen für die Tierfutterproduktion zu reduzieren. Diese beansprucht derzeit über 60 % der EU-Ackerfläch.

Lobbyisten setzen sich mit Forderung durch

Trotzdem kam die EU-Kommission am 23. März 2022 den Forderungen der Lobbyisten und Politiker:innen nach. Den Mitgliedstaaten wurde durch eine Ausnahmeregelung ermöglicht, Brachflächen für die Produktion von Lebensmitteln und Futtermitteln zu nutzen, ohne auf die "Greening-Zahlungen" aus dem GAP-Fonds verzichten zu müssen.

Einsatz von Pestiziden auf Brachflächen wird freigegeben

Ein Jahr später zeigen die Zahlen der EU-Kommission, dass 21 Mitgliedstaaten die Aussetzung der Greening-Auflagen nutzten. Durchschnittlich wurden 40 % der Brachflächen in Agrarflächen umgewandelt. Mit Ausnahme des wallonischen Teils von Belgien wurden diese Flächen auch für den Einsatz von Pestiziden freigegeben.

Statt Weizen wird Futtermittel angebaut

Allerdings wurden diese Brachflächen, entgegen den Versprechungen der Lobbyisten und Politiker:innen, kaum für den Anbau von Weizen genutzt. Die Hauptanbauarten waren Futtermittel wie Mais und Soja sowie die Ölsaat Sonnenblume, wie die EU-Kommission berichtet.

Foto von Helmut Burtscher-Schaden

“Politiker:innen und landwirtschaftliche Interessenvertreter:innen argumentierten mit der Bekämpfung des Hungers im Globalen Süden für das Aussetzen der Greening-Auflagen - produziert wurde jedoch fast nur Tierfutter. Das ist Ausdruck einer zynischen Politik, die den realen Hunger im Globalen Süden instrumentalisierte, um Umweltmaßnahmen der Europäischen Agrarpolitik auszuhöhlen.”

Helmut Burtscher-Schaden, GLOBAL 2000 Umweltchemiker

Auch Österreich baut auf Futtermittel

In Österreich verringerten sich die artenreichen Brachflächen um 56 %Von den umgeackerten Öko-Flächen wurden nur 0,6 % tatsächlich für den Weizenanbau genutzt. Der Rest der Fläche wurde für den Futtermittelanbau genutzt. Dies steht im Widerspruch zu den Argumenten der österreichischen Landwirtschaftsministerin. Sie behauptete, dass es weltweit an Getreide für die Lebensmittelhilfe mangelt. 

Negative Auswirkungen überwiegen

Brachflächen-Nutzung für die Produktion von Lebensmitteln und Futtermitteln hat negative Auswirkungen auf Bienen, Vögel, Böden und das Klima. Das Argument der Agrar-Lobbyisten zur Ernährungssicherheit entlarvt sich als Täuschung, denn der Beitrag zur Ernährungssicherheit ist verschwindend gering. Die Auswirkungen auf Biodiversität, die Bauern und Bäuerinnen und das Klima jedoch enorm.

Wir fordern:

  • Wichtige Bestandteile der GAP müssen erhalten bleiben, um langfristig Nahrung und Artenvielfalt zu sichern.
  • Die EU-Kommission muss die schädlichen Ausnahmeregelungen beenden und die Ziele der EU-Biodiversitätsstrategie verfolgen. 
  • Ernährungssicherheit und Biodiversität müssen Hand in Hand gehen.

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