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Gesetze gegen’s Untergehen: Besuch aus Indonesien
Wie können Klimaverpflichtungen im EU-Lieferkettengesetz zukünftig Menschen vor den Auswirkungen der Klimakrise schützen? Vier Indonesier:innen machen es vor: sie klagen einen der größten CO₂ Emittenten, den Schweizer Zementhersteller Holcim. Denn die indonesische Insel Pari ist von den Folgen der Klimakrise direkt betroffen.
Die indonesische Insel Pari
Wegen der Klimakrise droht die indonesische Insel Pari in den Fluten zu versinken. Seit 1900 ist der Meeresspiegel um durchschnittlich 21 cm gestiegen, 11 % der Insel sind bereits unter Wasser. Der Anstieg beschleunigte sich in den letzten Jahrzehnten aber deutlich: bis 2050 soll sich das Meer nochmals um bis zu 23 cm erhöhen. Dadurch könnte der Großteil der Insel verschwinden, zusätzlich erhöht sich die Anzahl von verheerenden Überflutungen enorm. Diese geschahen früher nur circa alle 10 Jahre, bald könnten sie die Insel alle paar Monate heimsuchen.
Diese Umstände machen das Leben auf Pari praktisch unmöglich:
• Häuser versinken
• Hab und Gut wird weggeschwemmt
• Fischbestände verschwinden
• Touristen bleiben aus
Die meisten Bewohner:innen haben nicht die finanziellen Mittel, um einfach umzuziehen. Und Pari ist nur eines von unzähligen Beispielen.
Wer trägt die Verantwortung für diese Situation?
Vier Bewohner:innen klagen aktuell einen jener Konzerne, die seit Jahrhunderten ungebremst hohe Emissionen verursachen und damit besonders zur Klimakrise beitragen. Die Klage gegen den Schweizer Zementproduzenten Holcim wird unterstützt von unserer indonesischen Partnerorganisation WALHI sowie der Schweizer NGO HEKS. Anfang Oktober kamen die zwei Organisationen nach Wien, um gemeinsam mit uns für Klimaverpflichtungen für Konzerne einzustehen.
Hintergrundinfo zu Holcim
Holcim ist einer der sogenannten „Carbon Majors“. So werden jene Unternehmen bezeichnet, die durch ihre CO₂-intensiven Tätigkeiten besonders zur Klimakrise beitragen. Holcim hat seit 1750 doppelt so viel CO₂ ausgestoßen wie die gesamte Schweiz. Das sind 0,42 % der weltweiten Emissionen.
Parid und Yvan kommen nach Wien
Der WALHI-Experte Parid Ridwanuddin besuchte diesen Herbst verschiedene europäische Städte. Bei seinem Besuch möchte er international auf die Klage gegen Holcim und die Rolle von Konzernen in der Klimakrise aufmerksam machen.
Zusammen mit Yvan Maillard-Ardenti von HEKS legte er einen Halt in Wien ein. Hier trafen sie sich unter anderem mit Politiker:innen, hielten eine Pressekonferenz ab und diskutierten mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen. Begleitet wurden sie dabei von unserer Ressourcen-Kampaignerin Anna Leitner.
Sonntag, 1.10. - Beamer Aktion im Hafen Wien
In der Dämmerung machen wir uns mit Parid auf zum Hafen Wien. Unser Ziel: das Holcim Betonwerk. Mit dabei haben wir unseren Beamer, mit dem wir dem Konzern eine deutliche Nachricht senden wollen - und zwar direkt auf seine Gebäude projiziert! Gemeinsam fordern wir „Gesetze gegen’s Untergehen“. Die Klage gegen Holcim zeigt, dass verbindliche Reduktionsziele nötig sind, um Inseln wie Pari vor dem Versinken zu bewahren.
„Deshalb müssen Klimaverpflichtungen im Lieferkettengesetz verankert werden“, ist Parid überzeugt.
Montag, 2.10. - Treffen mit Petra Bayr im SPÖ Parlamentsklub
Im SPÖ-Parlamentsklub werden wir von der Nationalratsabgeordneten Petra Bayer empfangen. Sie zeigt sich entrüstet über die Situation auf Pari. Gleichzeitig ist sie von den Bemühungen der Bewohner:innen zum Schutz ihrer Insel beeindruckt. Sie sichert Parid und Yvan ihre Unterstützung bei ihrem Einsatz für Klimagerechtigkeit zu. Denn auch für Österreich ist der Fall relevant. Schließlich gibt es hier genauso Konzerne, die exorbitante Emissionen zu verantworten haben.
Montag, 2.10. - Treffen mit Alma Zadić im Justizministerium
Nach einer kurzen Verschnaufpause – natürlich inklusive Sacher Torte – treffen wir die Justizministerin Alma Zadić. Unterstützung bekommen wir dabei von GLOBAL 2000 Geschäftsführerin Agnes Zauner und der NeSoVe Geschäftsführerin Bettina Rosenberger. Es ist ein besonders wichtiger Termin, da die Ministerin derzeit zusammen mit Wirtschaftsminister Kocher am EU-Lieferkettengesetz mitverhandelt. Sie nimmt unsere Anliegen ernst und zeigt sich positiv unseren Forderungen gegenüber. Ein großer Motivationsschub für uns, weiter für eine Klimasorgfaltspflicht einzustehen. Denn am Ende geht es nicht nur um Pari, sondern um Millionen von Menschen, die bereits jetzt unter den Folgen der Klimakrise leiden.
Dienstag, 3.10 - Pressekonferenz im Impact Hub
Der Andrang bei der gemeinsamen Pressekonferenz ist groß – die Klage gegen Holcim sorgt international für großes Aufsehen. Journalist:innen aus verschiedensten Ländern sind zugeschaltet, als Parid, Yvan und Anna ihre Stellungnahmen abgeben. Danach werden noch einige Fragen gestellt. In den darauffolgenden Tagen sind Berichte über die Klage und das EU-Lieferkettengesetz in verschiedensten Medien zu finden.
„Ein voller Erfolg!“, ziehen Yvan und Parid Resümee.
Dienstag, 3.10. – Mittagessen und Solidaritätsfoto bei GLOBAL 2000
Nach der Pressekonferenz geht es ins GLOBAL 2000 Büro. Bei einem gemeinsamen Mittagessen auf der Terrasse lernen Yvan und Parid weitere GLOBAL 2000 Mitarbeiter:innen kennen und vernetzen sich. Danach bekunden wir mit einem Foto unsere Solidarität mit den Bewohner:innen von Pari.
Dienstag, 3.10. – Treffen mit Arbeitsgruppe - Globale Verantwortung bei GLOBAL 2000
Nachdem sich der Trubel nach dem Mittagessen legt, halten wir einen Austausch mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisation ab. Zentrales Thema ist der aktuelle Stand der Klage gegen Holcim. Außerdem wird die Situation in anderen Ländern des Globalen Südens besprochen und was wir in Europa für Klimagerechtigkeit machen können.
„Erschreckend, dass Konzerne noch immer mit ihren schmutzigen Tätigkeiten durchkommen“, meint Anna am Ende.
Mittwoch, 4.10. - Treffen mit Martin Litschauer im Grünen Klub
Vor Parids Abreise trifft er gemeinsam mit Anna den Nationalratsabgeordneten und Anti-Atom-Sprecher der Grünen Martin Litschauer sowie Selin Öker, die Referentin der Nationalratsabgeordneten und Umweltsprecherin der Grünen Astrid Rössler.
Bei dem Treffen herrscht Einigkeit über die Dringlichkeit, auch Unternehmen zu Emissionsreduktionen zu verpflichten und falschen Lösungen wie der Atomkraft keinen Raum zu geben. Auch Martin Litschauer sicherte Parid Unterstützung zu.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Schweizer Gericht entschied, dass die vier Kläger:innen Anspruch auf kostenlose Rechtsvertretung haben, da sie als rechtlich "mittellos" gelten und ihre Klageaussichten nicht aussichtslos sind. Dies stärkt das Recht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht in der Schweiz für Menschen aus dem Globalen Süden. Holcim hatte gegen die kostenlose Rechtsvertretung argumentiert, wurde jedoch vom Gericht überstimmt. Das Gericht lehnte Holcims Ansicht ab, dass die Klageaussichten aussichtslos seien, und betonte, dass es irrelevant sei, ob auch andere Unternehmen die Klage aus denselben Gründen erheben könnten.
Die Klage der vier Indonesier:innen gegen Holcim läuft also weiter. Mit der Klage der vier Indonesier:innen setzt sich zum ersten Mal ein Schweizer Gericht mit der Frage auseinander, ob ein Konzern für seinen Beitrag am Klimawandel zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.
Die indonesischen Kläger:innen fordern:
- eine verhältnismäßige Entschädigung für erlittene Klimaschäden auf Pari
- finanzielle Beteiligung an Flutschutzmaßnahmen
- die Reduktion seiner Emissionen gemäß dem 1,5 °C Ziel