03.11.2023

Planetare Grenzen: Umweltzerstörung durch europäische Unternehmen

Welchen Einfluss haben große europäische Unternehmen auf Umwelt und Klima außerhalb ihrer Landesgrenzen? Ein neuer Report von BUND und Germanwatch nimmt die Umweltzerstörung durch Konzerne unter die Lupe.

Würde das EU-Lieferkettengesetz in seiner derzeitigen Fassung verabschiedet werden, würden seine angestrebten Fortschritte im Umweltschutz größtenteils verfehlt. Das zeigen die Untersuchungen aus dem neuen Report “Planetary Boundaries for Buisness” von BUND und Germanwatch. Es beleuchtet die Dringlichkeit für umfassende Umwelt- und Klimaverpflichtungen im EU-Lieferkettengesetz, das momentan auf EU-Ebene verhandelt wird. 

In der Studie werden prominente Fälle von Umweltzerstörung durch europäische Unternehmen analysiert. Dabei wird die Frage untersucht, inwiefern solche Fälle durch das EU-Lieferkettengesetz erfasst werden würden. 

Insgesamt wurden 10 Fälle untersucht. Vier der Fälle möchten wir Ihnen hier kurz vorstellen. Alle weiteren Details zu den Fällen finden Sie im englischen Report.

Umweltschäden durch den Bau eines Wasserkraftwerks und Staudamms in China - Beteiligung der Andritz AG

Die Andritz AG ist ein globaler Technologiekonzern mit Hauptsitz in Graz. Im Jahr 2012 gewann die Andritz AG eine internationale Ausschreibung für die Lieferung von elektromechanischen Ausrüstungen für das Wasserkraftwerk Xayaburi in Laos zum Bau eines Staudamms am Mekong. Der Xayaburi-Damm wurde 2019 fertiggestellt. Er ist der größte von vielen Dämmen am Mekong und seinen Nebenflüssen. 

2019 wurden in einigen Flussabschnitten die niedrigsten Wasserstände seit 57 Jahren verzeichnet. Das ist zum Teil auf den Betrieb des Xayaburi-Damms zurückzuführen. Eine zwischenstaatliche Agentur bestätigte zudem einen dramatischen Rückgang der Artenvielfalt, während Fischer von deutlich weniger Fischen im Fluss berichteten. Zusätzlich trägt der Damm dazu bei, dass nährstoffreiche Sedimente zurückgehalten werden, wodurch das Ökosystem des Mekong langsam “aushungert”. Zu weiteren Umweltschäden zählen vermehrte Überschwemmungen, Erosion und die Zerstörung von Feuchtgebieten und Algenblüten flussaufwärts.

Infolge dieser Anschuldigungen trat Andritz in einen Dialog mit den Beschwerdeführern. Die Andritz AG erklärte sich bereit, ihre Sorgfaltspflicht zu überarbeiten. Es ist unklar, inwieweit Andritz die verursachten negativen Umweltauswirkungen beendet oder mildert. Im Jahr 2018 war die Überarbeitung der Sorgfaltspflichtpolitik von Andritz nicht abgeschlossen.

Xayaburi-Damm
Shutterstock/ ONUTTO

Xayaburi-Damm

Export von in der EU verbotener, für die Umwelt extrem toxischer Pestizide - durch Unternehmen wie Bayer

Mehr als ein Drittel der Pestizide, die von großen agrochemischen Unternehmen verkauft werden, sind gesundheits- oder umweltschädlich. Viele von ihnen wurden in der EU bereits vor Jahrzehnten verboten. Trotzdem werden sie weiterhin in Drittländer exportiert, häufig in den Globalen Süden. Allein im Jahr 2018 genehmigten die EU-Mitgliedstaaten den Export von 81.615 Tonnen Pestiziden, die in der EU verbotene Stoffe enthalten. 

Beispiele für die katastrophalen Auswirkungen dieser Pestizide auf die Menschen und die biologische Vielfalt gibt es viele. Der Einsatz von Pestiziden wurde als eine der Hauptursachen für das derzeitige weltweite Massensterben von Insekten identifiziert. Zu den schädlichsten Pestiziden gehören die sogenannten Neonicotinoide. Zwei häufig verkaufte, für Bienen giftige Pestizide, sind Thiamethoxam, hergestellt von Syngenta, und Imidacloprid, hergestellt von Bayer. Beide sind in der EU verboten. Die Liste anderer vergleichbarer, hochgiftiger Pestizide, die außerhalb der EU exportiert werden, ist lang. Ein Beispiel dafür ist das Insektizid Polo, das von Syngenta unter anderem auf dem indischen Markt verkauft wird. Es enthält den Wirkstoff Diafenthiuron, der nachweislich sehr giftig für Wasserorganismen, Tiere und Menschen sein kann. Der Einsatz dieses Wirkstoffs führte zu schweren Vergiftungen bei Baumwollbauern in Indien im Jahr 2017, einige davon endeten tödlich. Es gab auch eine offizielle Beschwerde gegen die Verwendung dieses Stoffs bei multinationalen Unternehmen.

Die Beschwerde hatte keine Entschädigung für die Landwirte zur Folge. Das Ergebnis einer in der Schweiz eingereichten Klage ist noch ausständig. In der Zwischenzeit vertreibt Syngenta Polo weiterhin im Globalen Süden, unter anderem in Indien. Trotz dieser eindeutigen und dramatischen negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte wird das Volumen der Pestizidexporte aus Europa in Länder der südlichen Hemisphäre in Zukunft voraussichtlich weiter steigen.

Erdbeben und Erdrutsche in Argentinien - durch Fracking-Unternehmen finanziert von Deutsche Bank und Co.

Während Fracking in vielen europäischen Ländern wegen der damit verbundenen Umweltrisiken verboten wurde, sind EU-Unternehmen andernorts stark an Fracking-Aktivitäten beteiligt. Ein Beispiel hierfür ist die Region Vaca Muerta in Argentinien. Vaca Muerta ist eine geologische Formation, die eines der größten Schieferöl- und Schiefergasfelder der Welt beherbergt. Viele große europäische Unternehmen betreiben in der Region Fracking. Dazu gehören der französische Gigant für fossile Brennstoffe TotalEnergies SE und der deutsche Gas- und Ölproduzent Wintershall Dea.

Ebenso haben eine Reihe großer europäischer Banken, wie BNP Paribas, ING und Deutsche Bank, die Aktivitäten in Vaca Muerta unterstützt. Die Finanzunternehmen investieren in Unternehmen der Region, die fossile Brennstoffe abbauen. Eine Reihe wissenschaftlicher Studien deutet darauf hin, dass die Fracking-Aktivitäten in Vaca Muerta zu einer Reihe von Erdbeben in der Region geführt haben, in der zuvor keine seismischen Aktivitäten verzeichnet wurden. Die Erdbeben scheinen mit der Hochdruckinjektion enormer Mengen von mit Sand und Chemikalien vermischtem Wasser in Zusammenhang zu stehen. Dadurch scheint sich auch die Bodenoberfläche an diesem Standort verändert zu haben.

Die Regierung bleibt weitgehend untätig. Weder werden Gegenmaßnahmen ergriffen, noch Transparenz über die Erdbeben in der Region geschaffen. Die von den Unternehmen selbst erhobenen seismografischen Daten werden geheim gehalten. Der Zusammenhang zwischen Fracking und erhöhter seismischer Aktivität ist keine neue Entdeckung. Es gab hierzu bereits eine Reihe wissenschaftlicher Studien. Neben den dramatischen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung haben Erdbeben auch eine Reihe sekundärer Umweltauswirkungen, wie Erdrutsche.

Außerdem hat die Schiefergasförderung nachweislich weitere negative Auswirkungen auf das Klima: Einige Studien haben ergeben, dass die Treibhausgasbilanz von Fracking aufgrund der Freisetzung von Methan während der Schiefergasförderung größer ist als die von konventionellem Gas, Öl und sogar Kohle. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Oberflächen- und Grundwasser verunreinigt und die Luftqualität beeinträchtigt wird.

Meeresspiegel- und Temperaturanstieg auf Inselstaaten - durch die CO₂ Ausstoß von Zementhersteller wie Holcim

Holcim, mit Sitz in der Schweiz, ist einer der größten Zementhersteller weltweit. Zement ist der Hauptbestandteil von Beton, dem am zweithäufigsten verwendeten Stoff auf der Erde. Die Auswirkungen der Betonindustrie auf das Klima sind enorm, sie macht etwa 8 % der globalen Gesamtemissionen aus. Angesichts seines Marktanteils gehört Holcim zu den 50 größten industriellen Emittenten der Welt. Obwohl Holcim eine Klimastrategie verfolgt, steigen seine CO₂-Emissionen. Der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels und der Temperatur gefährden besonders Inselstaaten.

Der höhere Meeresspiegel raubt den Inselstaaten wertvolles Land und versalzt die Süßwasserressourcen. Dies wirkt sich auf die Wasser- und Ernährungssicherheit aus. Gleichzeitig steigt die Wellenenergie, was wiederum zur Erosion der Küsten führt und die Inseln für klimawandelbedingte Extremwetterereingisse wie Stürme anfälliger macht, Schätzungen zufolge werden mehrere pazifische Inselstaaten unbewohnbar werden, einige sogar schon in den nächsten zwei Jahrzehnten. Ein Beispiel dafür ist die Insel Pari in Indonesien. Bis 2050 soll sie größtenteils überflutet sein, wenn der Temperaturanstieg so weitergeht wie bisher. Die Bewohner berichten von einem Verlust der Artenvielfalt bei Fischen, einem Schwinden der Süßwasserressourcen und einer allgemeinen Zunahme extremer Wetterereignisse Ende 2022 reichten vier Bewohner eine Klage gegen Holcim ein. Sie fordern unter anderem, dass Holcim seine CO₂-Emissionen bis 2030 um 43 % und bis 2040 um 69 % reduziert, seine klimabedingten Schäden anteilig wiedergutmacht und anteilig zu Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel auf der Insel Pari beiträgt.

Fazit:

Die Umweltauswirkungen von Unternehmen sind vielfältig und alle Bereiche der Umwelt sowie alle Arten von Branchen sind betroffen. Die Auswirkungen erstrecken sich auf alle Kontinente - von Lateinamerika, Asien und Afrika bis hin zu Europa. Alle Stufen der Wertschöpfungskette eines Unternehmens haben Auswirkungen auf die Umwelt: von der Rohstoffgewinnung bis zur anschließenden Entsorgung nach der Produktion und Verwendung des Produkts. Außerdem zeigen die Fälle, dass eine negative Umweltauswirkung selten, wenn überhaupt, ein Einzelfall ist. 

Es braucht Umwelt- und Klimaverpflichtungen im EU-Lieferkettengesetz

Ein Mangel an umweltbezogener Sorgfaltspflicht führt daher fast zwangsläufig zu einer Reihe von Umweltauswirkungen. So kann etwa die mangelnde Berücksichtigung von Umweltrisiken bei der Gewinnung von Bodenschätzen zu einer Verschmutzung von Wasser, Boden und Luft führen und die biologische Vielfalt beeinträchtigen.

Die neuen Gesetzesvorschläge von EU-Kommission und Rat würden diese Umweltauswirkungen größtenteils unberücksichtigt lassen. Einzig das Europäische Parlament könnte die negativen Umweltauswirkungen durch eine umfassendere Definition von Umweltauswirkungen reduzieren.

Wie geht es weiter?

Derzeit verhandeln EU-Kommission, Rat und Parlament im sogenannten Trilog-Verfahren über das EU-Lieferkettengesetz. Der Teil zu Umwelt- und Klima-Verpflichtungen des Gesetzes wird aller Voraussicht nach im nächsten politischen Trilog im November auf der Tagesordnung stehen. 

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