03.06.2014

Pestizid-Cocktail in Österreichs Fließgewässern

GLOBAL 2000 fand bei der Untersuchung von 75 Wasserproben aus ganz Österreich 60 verschiedene Pestizide, künstliche Süßstoffe, PVC-Weichmacher und Arzneimittelwirkstoffe.

GLOBAL 2000 testet Wasser
Global 2000

Im Rahmen des ORF-Schwerpunkts „Mutter Erde braucht dich“ haben wir insgesamt 75 Wasserproben aus 42 Fließgewässern, neun Hausbrunnen und drei öffentlichen Leitungsnetzen an der Lebensmittelversuchsanstalt (LVA) Klosterneuburg auf Pestizide untersuchen lassen. Die jeweils größten Flüsse der Bundesländer sowie drei Trinkwasserproben wurden zusätzlich am Umweltbundesamt Wien auf Abwassereinträge aus dem Haushalt sowie auf Phthalate aus der Plastikindustrie untersucht.

Wasserproben

Global 2000

Mix aus 40 Pestiziden im Marchfeld

In 22 der 42 stichprobenartig untersuchten österreichischen Flüsse wurden insgesamt 60 verschiedene Pestizide nachgewiesen. 15 davon gelten als hormonell wirksame Chemikalien, die unter anderem mit Missbildungen bei Fischen und Amphibien in Zusammenhang gebracht werden. Die vorgefundenen Pestizidbelastungen waren regional sehr unterschiedlich. Während die Mehrzahl der untersuchten Gewässer keine oder nur geringe Pestizidbelastungen aufwiesen, traten in landwirtschaftlich intensiv bewirtschafteten Regionen des Burgendlands (Wulkatal) und im niederösterreichischen Marchfeld mit bis zu 40 Pestiziden in einer Probe alarmierend hohe Belastungen auf.

Herbizide besonders auffällig

Die negativen Effekte auf Wasserorganismen gingen überwiegend von Insektiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide aus, das von der EU bereits im Vorjahr wegen seiner Bienengefährlichkeit mit Teilverboten belegt worden war. Diese Insektizide sind auch als „sehr giftig für Wasserorganismen“ eingestuft. Die mengenmäßig stärksten Belastungen von Fließgewässern verursachten hingegen das hormonell wirksame Totalherbizid Glyphosat sowie die Herbizide Metamitron und MCPA.

Richtlinien fehlen

Bis 2015 müssen alle europäischen Gewässer einen guten ökologischen und chemischen Zustand aufweisen, so will es die Zielvorgabe der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Die Bewertung des chemischen Zustands erfolgt anhand einer Liste prioritärer Stoffe, die im Rahmen der Gewässerüberwachung untersucht werden müssen. Doch von den 60 Pestiziden, die in unserer Stichprobenuntersuchung gefunden wurden, sind gerade einmal vier Pestizidwirkstoffe in der Wasserrahmenrichtlinie geregelt. Praktisch ist das für die Pflanzenschutzmittelindustrie, denn Pestizidhersteller müssen zwar belegen, dass ihre Pestizide Oberflächengewässer nicht inakzeptabel beeinträchtigen, doch überprüft wird das nicht.

Unser Lebensstil hinterlässt Spuren

Unsere Aktivitäten hinterlassen Spuren in der Umwelt, denn in unserer Gesellschaft wird in allen Lebensbereichen eine Vielzahl von Chemikalien, Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, Bioziden, Lebensmittelzusatzstoffen oder Arzneimittelwirkstoffen eingesetzt. Diese kommen nach ihrer Verwendung in das Abwasser und so auch in Fließgewässer und das Grundwasser. 

Insgesamt 19 Wasserproben, darunter drei Trinkwasserproben, wurden zusätzlich auf Indikatoren für kommunale Verunreinigungen und Weichmacher, sog. Phthalate, hin untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Phthalate in zehn Fließflächengewässer nachweisbar sind, die gemessenen Konzentrationen aber gering ausfallen. Allerdings wurde der Grenzwert für das Phthalat DEHP in allen untersuchten Proben deutlich unterschritten.

Weiters fand man in allen Fließgewässerproben Rückstände von Arzneimittelwirkstoffen, synthetischen Süßstoffen und Industriechemikalien gefunden. Die gemessenen Konzentrationen schwanken stark und korrelieren mit den Abwassermengen die aus Kläranlagen eingeleitet werden. Die höchsten Konzentrationen wurden im Eisbach gemessen, der wenig Wasser führt und sehr stark abwasserbeeinflusst ist.

Wasserqualität in Österreich?

Vergleicht man die Ergebnisse unserer Untersuchung mit Daten aus anderen europäischen Ländern, zeigt sich, dass Österreich immer noch einen hohen Anteil von wenig belasteten Gewässern aufweist. Die punktuell hohen Pestizidbelastung in manch intensiv bewirtschafteten Regionen Österreichs zeigen aber auch die Notwendigkeit einer Trendwende in der konventionellen Landwirtschaft, hin zu einer naturnaheren Bewirtschaftsweise mit geringerem Einsatz von Chemie. Damit das gelingt, braucht es aber die Rückendeckung von Politik und Handel für die österreichischen Landwirte.

Was kann man zum Schutz der Gewässer tun?

  1. Die Belastung von Gewässern durch Schadstoffe, die herkömmliche Kläranlagen passieren können, insbesondere durch Arzneimittelwirkstoffe, muss in Hinblick auf ihr Ausmaß und ihre Wirkungen auf das Ökosystem genauer erforscht werden.
  2. Zum Schutz von Gewässern vor Pestizideintrag sollten Abstandsstreifen, Baumreihen und Hecken geschaffen werden.
  3. Ein umfassendes Monitoring der Pestizidbelastung in Österreichs Gewässern sowie ein Monitoring der Effekte auf Makroinvertebraten muss eingeführt werden.
  4. Förderprogramme für den Verzicht auf Neonicotinoide und Glyphosat sowie der schrittweiser Ausstieg aus hormonell wirksamen Pestiziden sind vorzusehen.
  5. Einführung einer Pestizidsteuer mit Zweckwidmung für die Folgekosten, die durch den Pestizideinsatz verursacht werden.

Die gesamten Daten aller untersuchten Wasserproben können Sie hier downloaden:Ergebnisse Wassertests 2014

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