Die Energiewende hin zu erneuerbaren Stromquellen ist unumgänglich im Kampf gegen die Klimakrise. Sonne, Wasser und Wind leisten dabei den größten Beitrag zum nachhaltigen Strommix. Doch ist wirklich jede Kilowattstunde Strom, die durch Wasserkraftwerke gewonnen wird, nachhaltig?

Mit über 5200 Wasserkraftwerken in Österreichs Flüssen und Bächen haben wir im letzten Jahrhundert massiv in die natürlichen Ökosysteme unserer Flüsse eingegriffen. Denn jedes Wasserkraftwerk bedeutet eine Veränderung am natürlichen Flussverlauf. Das hat dazu geführt, dass nur noch 15 % der heimischen Flüsse ökologisch intakt sind und rund 60 % der heimischen Fischarten entweder gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht sind.

Wie funktioniert Wasserkraft eigentlich?

Durch die Bewegungsenergie des Wassers wird Strom erzeugt. Das kann auf unterschiedliche Arten passieren.

Es gibt:

  • Laufwasserkraftwerke
  • Speicherkraftwerke
  • Pumpspeicherkraftwerke
  • Gezeitenkraftwerke

In diesen Anlagen wird Wasser durch eine oder mehrere Turbinen geleitet, welche einen Generator antreiben. Dieser Generator wandelt die Bewegungsenergie des strömenden Wassers in elektrische Energie um, wodurch Strom erzeugt wird.

Die Gefahren der Wasserkraft

Unsere Flüsse können oft kaum noch frei fließen. Im Durchschnitt stößt das Wasser alle 900 m auf ein unnatürliches Hindernis. Aus dem Aufstauen und Umleiten der Flüsse resultiert der Verlust wichtiger Fließeigenschaften des Wassers, wodurch viele Tier- und Pflanzenarten aus ihrem natürlichen Lebensraum verdrängt werden.

Auswirkungen auf die Tierwelt

Das hat unter anderem zur Folge, dass viele Fischarten ihre lebensnotwendigen Wanderungen zu Laichplätzen nicht mehr antreten können. Fischbestände gehen dadurch drastisch zurück. Weiterhin erleiden mehr als 22 % der Fische auf ihrem Weg durch die Turbinen tödliche Verletzungen. Die rückläufigen Fischbestände nehmen dann wiederum Vögeln und anderen Tieren, die sich von Fischen ernähren, die Lebensgrundlage. 

Tirols Fließgewässer zeigen ein extremes Bild der Belastung:

Auswirkungen auf das Klima

Darüber hinaus führt die reduzierte Wasserfließgeschwindigkeit zu einer schnelleren Erwärmung des Gewässers. Das wiederum begünstigt das Ausbreiten giftiger Algen und das Entstehen und Ablagern des sogenannten Faulschlamms. Die Folge: gefährliche Treibhausgase entstehen. Große Anlagen stoßen so jährlich 104 Millionen Tonnen Methan aus.

Auswirkungen für den Menschen

Nicht nur für die tierischen Flussbewohner können Wasserkraftwerke immense Auswirkungen haben. Auch für uns Menschen kann es durch die Veränderung des Grundwasserhaushalts zu weitreichenden Folgen kommen. Dabei sind mit der Verschmutzung von Brunnen, dem Eintreten des Grundwassers in Häuser und Grundstücke und die Überschwemmung von Feldern nur einige mögliche Folgen genannt.

Wie gelingt naturverträgliche Wasserkraft?

Trotzdem trägt die Wasserkraft einen wichtigen Teil zur Energiewende in Österreich bei und muss, gerade wenn wir nicht länger Energie aus fossilen Quellen beziehen wollen, weiterhin ihren Beitrag zum österreichischen Strommix leisten! Wichtig ist hier, dass eine Balance zwischen Energiegewinnung und Naturschutz gefunden wird.

So kann’s gelingen:

Mehr Effizienz, weniger Verbauung

Wenn alte Kraftwerke saniert und modernisiert werden, dann können sie deutlich effizienter produzieren. Dadurch können wir unseren Energiebedarf mit weniger, aber besseren Kraftwerken decken. So müssen nicht ständig neue Kraftwerke gebaut werden, die wichtige Naturräume zerstören.

Hilfe für Fisch

Durch Maßnahmen wie Fischaufstiegshilfen und fisch-freundlichere Turbinen können die negativen, teils tödlichen Auswirkungen der Wasserkraft auf die Flussbewohner reduziert werden. Fische können damit trotz verbauter Stellen ihre Laichplätze erreichen und der Populationsrückgang wird minimiert.

Förderungen für Naturverträglichkeit

Venter Arche im Kaunertal

WWF/ Sebastian Frölich

Wasserkraftwerke werden teilweise massiv gefördert. Diese Förderungen müssen dringend an Naturschutzkriterien geknüpft werden. Es bräuchte staatliche Förderprogramme und steuerliche Anreize für naturverträgliche Wasserkraftprojekte und Forschung. So werden naturverträgliche Kraftwerke auch für Betreiber:innen interessanter.

Schutzgebiet bleibt Schutzgebiet

So wichtig der Ausbau von erneuerbaren Energien auch ist, Naturschutzgebiete müssen, wo immer möglich, vor Eingriffen bewahrt werden. Der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal alleine bedroht zum Beispiel sechs Schutzgebiete und soll Wasser von zwei der wenigen unverbauten Alpenflüsse abziehen. Darüber hinaus steht im Kaunertal auch noch die Zukunft einer riesigen Moorfläche auf dem Spiel, die für das Vorhaben eines Speicherkraftwerks geflutet werden soll. In diesem konkreten Fall gäbe es sogar eine naturverträgliche Alternative, die umgesetzt werden könnte. 

Renaturierung und Wiederherstellung von Flussökosystemen

Renaturierungsprojekte und die Wiederherstellung von Flussökosystemen sind entscheidende Maßnahmen, um die ökologischen Auswirkungen von Wasserkraftwerken zu minimieren und die biologische Vielfalt in Flusslandschaften wieder zu fördern.

Unser Fazit

Wasserkraft ist eine erneuerbare Energie, damit ist sie aber nicht per se klimaneutral oder umweltschonend. Trotzdem trägt sie einen wichtigen Teil zur Energiewende bei. Immerhin werden mehr als 60 % des österreichischen Stroms durch Wasserkraft gewonnen. Damit ist sie ein unabdingbarer Teil unseres Strommixes und stärkt die Unabhängigkeit der österreichischen Stromversorgung. Dennoch müssen wir sicherstellen, dass im Namen der Energiewende keine unersetzlichen Stücke Natur verloren gehen.

Klima- und Biodiversitätsschutz gehen Hand in Hand

Wir dürfen nicht den Fehler begehen und sie isoliert voneinander betrachten. Denn auch intakte Flüsse, funktionierende Ökosysteme und der Erhalt bedrohter Arten sind wichtige Bausteine im Kampf um unser Klima. Wasserkraft ja, aber nicht um jeden Preis.